IT-Kostenexplosion beim Bund ist verheerende Verschwendung von Steuergeld
1,2 Mrd. Euro hat die Bundesverwaltung für Software-Lizenzen und IT-Dienstleistungen 2023 gezahlt – ein sattes Plus von 57 Prozent gegenüber 2022. Sparpotenzial durch Open Source-Lösungen und zudem weniger Abhängigkeit von Herstellern proprietäre Software? Bleibt ein Lippenbekenntnis, so Andrea Wörrlein in ihrem Gastkommentar.
Die Alarmglocken sind kaum zu überhören: Unternehmen fürchten schon seit Jahr und Tag den berüchtigten Vendor-Lock-in. Sie versuchen aus guten Gründen die Abhängigkeit von einem bestimmten Anbieter samt der damit verbundenen Kostenfalle zu vermeiden. Wohin das führen kann, haben wir ja jüngst erst im Zusammenhang mit der Lieferkettenproblematik erlebt. Plötzlich wird die Diversifizierung von Bezugsquellen wieder in Großbuchstaben geschrieben. Plan B hat Hochkonjunktur, zumindest in Handel und Wirtschaft.
Auf höchster staatlicher Ebene aber regiert offensichtlich das Prinzip: "Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen". Erst nach heftiger Intervention der Opposition hat die Bundesregierung jetzt die Ausgaben der Bundesverwaltung für Software-Lizenzen und IT-Dienstleistungen offenlegen müssen.
Und die sehen verheerend aus. Erstmals wurde dafür die magische Hürde von einer Milliarde Euro genommen. Innerhalb von nur einem Jahr stiegen die Kosten von 771 Millionen Euro 2022 auf satte 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2023 – und damit um rund 57 Prozent.
Gleichzeitig tobt in Berlin die Debatte um eine "Aufweichung" der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse. Geld auszugeben ist ja auch viel leichter, als sinnvoll und verantwortungsbewusst damit umzugehen. Der Löwenanteil wird dabei immer noch für proprietäre Software verbraten, obwohl sich die Koalition doch eigentlich auf Open Source verpflichtet hat. Ein Urteil über diese Misswirtschaft mag sich jeder selbst machen. Moralische Entrüstung hilft uns jedoch nicht weiter. Es geht vielmehr um den kritischen Umgang mit knallharten Interessen, die so einseitig durchgesetzt werden, als ginge es um den Verkauf von Heizdecken auf einer Kaffeefahrt.
Die Konsequenzen sind fatal, und nicht nur monetär messbar. Denn diese Praxis verschleudert nicht nur Steuergelder. Sie bringt legislative Steuerungsfunktionen mittel- und langfristig in gefährliche strategische Abhängigkeiten. Fahrlässigkeit, Kurzsichtigkeit und Verschwendung sind also noch das Geringste, was man den Regierungsbehörden und -institutionen vorwerfen muss. Spätestens seit der berühmten "Zeitenwende"-Regierungserklärung sollte auch dem letzten Beteiligten klar geworden sein, dass strategische Autonomie die Grundvoraussetzung eines souveränen Staates ist – und die beginnt ganz profan schon im Beschaffungswesen für IT-Technologie.
Wenn also schon die einfache Kosten-Nutzenrechnung offensichtlich nicht zum Repertoire der Bundesregierung und ihrer nachgeordneten Stellen gehört, dann muss spätestens jetzt gehandelt werden. Eine verblüffend einfache Maßnahme wäre beispielsweise, dass ab sofort kein Software-Anbieter mehr als 50 Prozent eines IT-Budgets für sich vereinnahmen darf.
Dort, wo das aktuell noch der Fall ist, muss ein Plan vorgelegt und abgesegnet werden, dieses Ziel innerhalb von spätestens drei Jahren umzusetzen. Und Open Source darf nicht länger nur als unverbindliches Vortrags-Bonbon missbraucht werden, sondern muss endlich praktische Präferenz bekommen. Der Einsatz proprietärer Systeme dagegen sollte nur in begründeten Ausnahmefällen gestattet sein, um den in jeder Hinsicht schädlichen Vendor-Lock-in an der Wurzel zu packen.
Ob die Regierung die Kraft und Bereitschaft zu zwei so logischen und notwendigen Schritten aufbringt? Die Hoffnung bleibt …