So kriegt Europa die Digitalisierungs-Kurve

Anlässlich der Europawahl am 9. Juni 2024 hat Internetverband eco Forderungen der Branche für die europäische Digitalpolitik in der kommenden Legislaturperiode formuliert. Die erste Welle der digitalen Revolution habe Europa verschlafen, meint Verbandschef Oliver Süme.

Oliver Süme, eco Vorstandsvorsitzender, hat Forderungen an die Politik

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Oliver Süme, eco Vorstandsvorsitzender, hat Forderungen an die Politik

Viele zentralen Entscheidungen im Bereich der Digitalisierung werden mittlerweile auf EU-Ebene getroffen. Die europäischen Vorgaben und Regelungen entfalten damit eine direkte Wirkung auf die Mitgliedstaaten und sind wichtig für die Internetwirtschaft.

Nach Einschätzung des eco Vorstandsvorsitzenden Oliver Süme ist die größte Herausforderung, Europa zu einem starken und wettbewerbsfähigen Digitalstandort zu entwickeln. "Die erste Welle der digitalen Revolution hat Europa verschlafen. Die nächste Welle der digitalen Revolution müssen wir gestalten", fordert Süme. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft müsse stärker in den Fokus der Kommission rücken, die im Juni neu gewählt wird. Die Politik müsse klare Impulse für ein zukunftsorientiertes Europa setzen, meint Süme.

Dazu brauche es neben einem einheitlichen Regulierungsrahmen auch Strategien für die Förderung von Innovationen und den Einsatz neuer digitaler Technologien wie beispielsweise KI in Unternehmen. Voraussetzung dafür sei die Schaffung interoperabler Datenräume und die Stärkung souveräner und leistungsfähiger digitaler Infrastrukturen.

Während der Fokus der scheidenden Kommission darauf lag, mit einer Reihe von Gesetzen den Weg für die digitale Transformation zu ebnen, sollte es nun darum gehen, ihre Umsetzung in die Praxis zu begleiten und Europas Wirtschaft dazu zu befähigen, zum wettbewerbsfähigen Player für nachhaltige digitale Technologien zu werden.

Acht Forderungen, die CRN hier nachfolgend dokumentiert, hat der Internetwirtschaftsverband für ein digitales Europa formuliert. Der eco-Verband zählt rund 1.000 Mitgliedsunternehmen.

1. Innovationen und Wettbewerb in Europa weiterentwickeln

Die EU muss die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Digitalstandorts Europa forcieren und moderne Technologien auf dem europäischen Markt etablieren. In dem Zuge muss die Datennutzung, etwa durch die Entwicklung interoperabler Datenräume, vereinfacht werden.

2. Technologie souverän einsetzen und entwickeln

Europa muss KI als Chance begreifen. Die Schaffung interoperabler Datenräume sowie eine Standardisierung und Normierung des digitalen Binnenmarkts ist dafür unabdingbar.

3. Digitale Infrastrukturen in Europa resilient ausbauen

Die offene, interoperable und dezentrale Struktur des Internets muss erhalten bleiben. Gleichzeitig gilt es, den beschleunigten eigenwirtschaftlichen Netzbau zu fördern und den Netzausbau sowie die Infrastruktur-Migration innovationsfreundlich zu gestalten. Netzneutralität muss in der EU erhalten bleiben, während Rechtsklarheit für alle Akteure der Internetwirtschaft hergestellt werden muss. Die EU muss TK-Netze und digitale Infrastrukturen resilient gestalten und bestehende Regeln für die IT-Sicherheit umsetzen.

4. Netz mit Verantwortung fördern

Um ein sicheres Internet zu erhalten, müssen die Institutionen innerhalb der EU die Synergien zwischen Beschwerdestellen, Strafverfolgung und Ermittlungsbehörden besser nutzen. Dies erfordert auch eine nachhaltige staatliche Förderung von Beschwerdestellen. Darüber hinaus muss die Selbstregulierung und -kontrolle international anschlussfähig sein und ein altersgerechter Zugang zu Internetinhalten angestrebt werden.

5. Bürgerrechte und persönliche Daten in der digitalen Welt schützen

Nur durch einen breiten und ungehinderten Zugang zum Internet können die Bürger in Europa zuverlässige Informationen und eine Vielfalt von Standpunkten erhalten. Die Aufrechterhaltung der technischen Kerninfrastruktur ist dafür elementar. Gesellschaft, Wirtschaft und Politik müssen gemeinsame Wege gegen Desinformation und Cybersicherheitsbedrohungen finden. Gleichzeitig müssen persönliche Daten im Netz sicher sein. Die EU-Kommission muss dafür den Umgang mit personenbezogenen Daten regulieren. Sollte in der kommenden Wahlperiode die Schaffung einer e-Privacy Verordnung weiter im Fokus stehen, sollten die darin enthaltenen Regelungen einen starken Datenschutz im Telekommunikationsbereich ermöglichen und gleichzeitig die Möglichkeiten zur Verarbeitung von Metadaten einheitlich und für die Wirtschaft praktikabel geregelt werden.

6. Europäische Digitalisierung nachhaltig gestalten

Die EU muss den Beitrag der Digitalisierung zum Klimaschutz voranbringen. Dazu gehört der Ausbau und die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und einheitliche Nachhaltigkeitsindikatoren für eine ressourcenschonende Digitalisierung. Gleichzeitig sollten Strompreise für die Internetwirtschaft "handhabbar" gestaltet werden. Die Ressourcenschonung mit Hilfe von Kreislaufwirtschaften und effizienter Software sollte in der EU Priorität haben.

7. Europa modernisieren

Es gilt, den Binnenmarkt als Eckpfeiler der europäischen Wirtschaft zu stärken und Europa als international starken Partner zu erhalten. Dafür muss die EU die Rechtskohärenz verbessern und die europäische Verwaltung durch Digitalisierung effizienter gestalten.

8. Digitales Leben, Lernen und Arbeiten fördern

Digitalisierung muss als Mittel zur Flexibilisierung der Arbeit verstanden werden. Um dies zu ermöglichen, müssen Kommission und Mitgliedstaaten Arbeitsrechtsbestimmungen anpassen und die Vermittlung von Digitalkompetenzen europaweit fördern.