Die "Nuvias-Bereinigung" bei Infinigate
Geschäftsführer Helge Scherff und zuvor Prokurist Sascha Odenthal sind nicht mehr bei Infinigate Deutschland. "Strukturänderungen", sagt DACH-Chef Andreas Bechtold. Im Kern geht es aber um etwas anderes.
Für Helge Scherff ist in der neuen Struktur von Infinigate kein Platz mehr. Er scheidet aus der Geschäftsführung von Infinigate Deutschland und aus dem Unternehmen aus, so die Meldung des auf Security- und Netzwerke spezialisierten Distributors. Ziemlich genau vor einem Jahr wurde er nach der Übernahme von Nuvias zum Geschäftsführer Infinigate Deutschland ernannt. In der Security-Distribution ist Scherff mehr als 23 Jahre, hat auch schon einige Akquisitionen und Fusionen selbst erlebt: Aus Wick Hill wurde Nuvias, aus Nuvias Infinigate. Was stets blieb und stetig wuchs, sind die engen Kontakte zu Herstellern und Partnern, zu denen Scherff einen ganz besonders engen, bisweilen freundschaftlichen Draht pflegte, bzw. pflegt. Denn mit dem Ausscheiden bei einem Distributor endet ja nicht die Beziehung zu Geschäftspartnern.
Wie CRN bereits vergangene Woche erfuhr, hat Infinigate wichtige Herstellerpartner von der bevorstehenden Entlassung Scherrfs informiert. Ob der Manager ein Wettbewerbsverbot in seinem Ausstiegsvertrag stehen hat, wissen wir nicht. Es ist aber kaum vorstellbar, dass einer wie Scherff mit seinen Kontakten in die Security-Branche unmittelbar bei einem Infinigate-Konkurrenten aufschlägt. Zwei Jahre maximal kann so eine "Cool-Down-Phase" vereinbart werden. Je länger sie ist, desto teurer wird es für Infinigate. Aber warum musste ein so erfahrender Distributionsexperte wie Helge Scherff gehen?
Die Kurzversion: Der Markt ändert sich, mit ihm das Distributionsgeschäft und daher gibt es bei Infinigate DACH und Deutschland "Strukturveränderungen".
Die Langversion, vorgetragen von Regional Vice President DACH and East der Infinigate Group Andreas Bechtold: "Die Infinigate Group befindet sich derzeit in einem Transformationsprozess hin zu einem deutlich ausgeprägteren Cloud- und Plattformgeschäft. Mit unserem digitalen Hub ID Connect entwickeln wir unser Unternehmen massiv in diese Richtung, während wir gleichzeitig auch unser angestammtes Geschäft weiterbetreiben. Das hat nicht nur Auswirkungen auf Gruppenebene, sondern natürlich auch auf Regionen und Länder, gerade in so wichtigen Märkten wie DACH mit Deutschland."
Transformation, die ja seit Jahren alle Firmen im ITK-Channel betrifft, ist das eine, personelle Konsequenzen das andere: Helge Scherff passt einfach nicht mehr rein in die verschlankte DACH-Struktur bei Infinigate, während Franziska Gaitzsch als Direktorin Channel Marketing, Kati Rabe als Head of Corporate Marketing sowie Udo Schillings als Vendor Alliance Manager künftig direkt an Andreas Bechtold berichten werden.
Persönlichkeit und Marke Helge Scherff
Oder vielmehr: Nuvias-Manager Scherff passte mit seiner Persönlichkeit eigentlich von Anfang an nicht in die Konzernstruktur des expansiven Schweizer Distributors Infinigate, der eine paneuropäische Vision eines 5-Mrd.-Euro-Konzerns verfolgt. Scherff ist kein nur nüchtern auf Excel-Sheets schauender und trocken berichtender Geschäftsführer. Wenn er anderer Meinung ist, hält er nicht hinterm Berg. Streiten, im positiven Sinne um der Sache willen, gehört zu seinem Selbstverständnis. Und noch eine Eigenschaft hätte Scherff als Hanseat eigentlich beim Infinigate-Konzern zum Vorteil gereichen können, wäre er so aufgetreten: als unterkühlter, nüchtern kalkulierender und distanzierter Manager. Doch so ist er ganz und gar nicht, verstellen hätte er sich müssen, was ihm seine Authentizität gekostet hätte. Indes: Seine lockere, unterhaltsame Art, die er im Kitchen-Talk oder bei Charity-Abenden zum Besten gab und viel Geld für sozial engagierte Vereine einsammelte, kam sehr gut an bei Partnern und der Nuvias-Belegschaft.
Geschäfte im Channel werden zwischen Menschen gemacht, heißt es immer. Helge Scherff versteht es, Geschäftspartner für sich einzunehmen. Das geht soweit, und bei Infinigate für einige womöglich zu weit, dass Geschäftsführer Scherff sich quasi zu einer Marke stilisiert hat. Charity-Gala ohne Helge Scherff? Nicht vorstellbar.
Events im Channel gibt es reichlich, Partner haben eine riesige Wahl, zu welcher Distributionsveranstaltung sie gehen werden. Personality-Inszenierung auf Social Media oder sogar Linkedin machen einige Geschäftsführer um des Branding und der Aufmerksamkeit willen. Helge Scherff tritt als James Bond auf, an seiner Seite ein aus der Channel-Presse stammendes Bond-Girl, das kam gar nicht so schlecht an bei Teilen der Partner, wie CRN hörte.
Normalerweise schreibt die Dramaturgie der berühmtesten Agenten-Serie vor, dass das Bond-Girl in jedem Film ersetzt wird. Nun hat es den James Bond des Channels erwischt, dem die Schweizer bei Infinigate keine Hauptrolle mehr geben wollen. Scherff muss auf Missionssuche gehen, vielleicht aber erst nach seinem 50. Geburtstag Anfang kommenden Dezember.