Branchenriesen: KI-PCs und "Killer-Apps" werden den Markt verändern
In den kommenden Jahren soll es einen großen Markt für PCs geben, die KI-Anwendungen teilweise oder komplett über den lokalen Computer-Prozessor des Clients ermöglichen. CRN hat sich die Herstellerträume mal genauer angeschaut.
Geht es nach Technologieanbietern wie HP, Lenovo und Dell, ist der Tag nicht mehr fern, an dem beliebte KI-Anwendungen direkt auf dem PC laufen können. Prognosen zufolge soll das eine neue Nachfragewelle für PCs und einen Umbruch der Branche auslösen.
Als im vergangenen Jahr generative KI-Tools wie der Chatbot ChatGPT und der Bildgenerator Dall-E auf den Markt kamen, gerieten etablierte IT-Unternehmen in einen Begeisterungstaumel. Sie warfen die Motoren für Marketing-Hypes an und wetteifern seither um die modernsten KI-Technologien. Ein heißer Kandidat ist der KI-PC, den nicht nur Intel-CEO Pat Gelsinger für "einen Wendepunkt in der technischen Innovation" hält.
Zu den Befürwortern der so genannten KI-PC-Bewegung gehören einige der größten Namen der IT-Branche, darunter Microsoft mit seinen KI-gestützten Copilot-Diensten, die bereits in Windows und verschiedenen Anwendungen Einzug gehalten haben, aber auch führende PC-Hersteller wie HP, Lenovo und Dell.
Halbleiterunternehmen wie Intel und AMD, die die notwendigen Chip-Architekturen für die Verarbeitung modernster KI-Anwendungen entwickeln, sind ebenso dabei wie Dutzende, wenn nicht Hunderte von ISVs, die KI-gestützte Anwendungen und Funktionen entwickeln.
"Der nächste Schritt für PCs besteht darin, wie das Silizium diese Leistung und Effizienz nutzt, um völlig neue, stärker personalisierte KI-Erlebnisse direkt auf dem Gerät zu ermöglichen", sagte Áine Shivnan, Vice President of Engineering bei Qualcomm, auf dem Snapdragon Summit im Oktober. Hier hatte das Unternehmen seinen Plan verkündet, Intel und AMD mit einem KI-fähigen Prozessor für Windows-PCs herauszufordern.
Zwar sind sich all diese Unternehmen einig, dass KI-PCs die Nachfrage nach Rechnern über Jahre hinweg ankurbeln könnten. Doch die große Frage bleibt: Warum sollen sich Privatleute und Unternehmen neue Computer zulegen, die auf KI-Anwendungen ausgerichtet sind, wenn sie bereits über leistungsfähigere Systeme in der Cloud auf modernste KI-Funktionen zugreifen können?
Anbieter mit Visionen
Für Intel-Chef Gelsinger haben KI-PCs einen ganz persönlichen Vorteil. Sie erlauben dem Nutzer, die Welt um ihn herum besser zu hören und zu verstehen, und die Menschen, die ihm am Herzen liegen.
"Eines meiner Lieblingsgeräusche ist, wenn meine Enkelin mich ruft: 'Papa, Papa Pat'. Ohne Hörgeräte - ich komme aus einer Familie, in der fast alle ihr Gehör verloren haben - könnte ich das in Zukunft vielleicht nicht mehr hören", berichtet Gelsinger sehr persönlich auf der Keynote-Bühne der diesjährigen Intel Innovation. Um zu demonstrieren, wie KI-PCs dieses Problem angehen könnten, verwies Gelsinger auf Rewind, eine App, die einen Computer im Grunde zu einem persönlichen ChatGPT macht.
"Rewind ist eine personalisierte KI, die durch alles, was Sie gesehen, gesagt oder gehört haben, angetrieben wird", sagte Dan Siroker, Mitbegründer und CEO von Rewind, auf der Bühne mit Gelsinger. "Die Rewind-App nimmt alles auf Ihrem Bildschirm und Ihr Audio auf, komprimiert, verschlüsselt, transkribiert und speichert alles lokal auf Ihrem PC. Und das Beste ist, dass Sie zu allem, was Sie gesehen, gesagt oder gehört haben, eine Frage stellen können."
Unter Verwendung des Open-Source-Modells Llama 2 von Meta, das auf dem Intel Core Ultra Chip läuft, fragten sie die Rewind-App, was Gelsingers Lieblingsgeräusch sei und drei Sekunden später kam die Antwort: "Sein Lieblingsgeräusch ist die Stimme seiner Enkelin, die ihn Papa Pat nennt." Dann bat man Rewind, Gelsingers Keynote zusammenzufassen, und die KI-App lieferte kurz darauf eine Antwort in drei Absätzen.
Etwa einen Monat später dann stellte Lenovo einen KI-Assistenten vor, den ein Computerprozessor antreibt und mit privaten, lokalen Daten trainiert wird. Dieser kann ebenso schnell, wenn nicht gar schneller als ein cloudbasiertes KI-Modell, eine personalisierte Antwort zur Erstellung von Reiseplänen geben.
"Schon bald werden Sie auf Ihrem KI-PC eine lokale Wissensdatenbank aufbauen, ein persönliches Basismodell ausführen, Augmented Reality-Computing betreiben und natürliche Interaktionen nutzen können", versprach Yuanqing Yang, Chairman und CEO von Lenovo, während der Tech World 2023.
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Branchenriesen: KI-PCs und "Killer-Apps" werden den Markt verändern
In den kommenden Jahren soll es einen großen Markt für PCs geben, die KI-Anwendungen teilweise oder komplett über den lokalen Computer-Prozessor des Clients ermöglichen. CRN hat sich die Herstellerträume mal genauer angeschaut.
Warum Hersteller KI-PCs für das nächste große Ding halten
Als Qualcomm seine Pläne erläuterte, mit seinem kommenden Snapdragon X-Prozessor für KI-PCs mit Intel und AMD zu konkurrieren, lieferte der anwesende HP-CEO Enrique Lores eine Erklärung für das, was viele Anbieter als Hauptvorteil der Ausführung von KI-Anwendungen auf lokaler Hardware ansehen:
"Die Möglichkeit, generative KI-Anwendungen lokal auszuführen, wird personalisiertere Erfahrungen ermöglichen, die Latenzzeit verbessern, einen besseren Schutz, mehr Sicherheit und Privatsphäre bieten und die Kosten senken. Und all das sind gute Nachrichten für unsere Kunden, denn sie werden dadurch produktiver als je zuvor", so der HP-Chef.
Datenschutz ist ein häufig genanntes Bedürfnis von Unternehmen, die sich nicht wohl dabei fühlen, geschützte Informationen in die Cloud zu stellen, um sie in KI-Anwendungen einzuspeisen. Und die Cloud-Kosten für die Inferenz, d. h. den Prozess, bei dem ein KI-Modell eine Vorhersage trifft oder eine Antwort generiert, können für große Sprachmodelle und andere umfangreiche Modelle aufgrund der erforderlichen Rechenleistung exorbitant hoch sein.
"Viele IT-Organisationen verfügen entweder nicht über die vorhandene Infrastruktur oder sie haben nicht das erforderliche Budget dafür, sagte Matt Unangst, Senior Director of Commercial Client and Workstation bei AMD, in einem Interview mit CRN. "Die Überlegung, wie wir einige dieser Lösungen auf das Client-Gerät übertragen und einige dieser KI-Modelle auf das Client-Gerät portieren können, wird meiner Meinung nach in den nächsten Jahre ein wichtiger Trend in werden."
All das bedeutet jedoch nicht, dass die Cloud bei KI-PCs keine Rolle spielen wird. In Zukunft würden KI-Anwendungen kombiniert auf lokalen Rechnern und in der Cloud laufen, so die Überzeugung von Microsoft-CEO Satya Nadella. "Ich denke, dass wir viele Anwendungen haben werden, lokale Modelle und hybride Modelle. Das ist meiner Meinung nach die Zukunft der KI", so der Microsoft-Chef. "Ich drücke meine Absicht aus, und der PC bringt mich entweder zur Anwendung, oder er bringt die Anwendung zu Copilot. Ich glaube, dass sich so die Nutzergewohnheiten komplett verändern werden", so Nadella.
Intelligenz im Chip
Was den Aufstieg der KI-PCs überhaupt möglich machen wird, sind die neue Prozessoren von Intel, AMD, Qualcomm und Apple, die spezielle Engines für die Verarbeitung von KI-Workloads haben. Diese dedizierten KI-Engines, die neben der CPU und der GPU auf demselben Chip vorhanden sind, wurden entwickelt, um eine Vielzahl von KI- und maschinellen Lernaufgaben, von der Spracherkennung über die Videoanalyse bis hin zu großen Sprachmodellen, bei geringem Stromverbrauch von der CPU zu übernehmen.
"Es wird einen bedeutenden Teil von Microsoft Copilot geben, der unsere Ryzen-KI-Technologie nutzen kann und wird", so AMDs Unangst. "Stellen Sie sich einen digitalen Assistenten vor, der Fähigkeit hat, Meetings oder Dokumente automatisch zusammenzufassen. Das wird für Geschäftsanwender sehr, sehr nützlich sein", hieß es bei AMD
"In nicht allzu ferner Zukunft werden Sie nicht nur einen KI-Kopiloten haben. Sie werden einen Kopiloten haben, der Transkriptionen vornimmt, einen Kopiloten, der Übersetzungen macht, einen Kopiloten, der automatisierte Bilder erstellt, einen Kopiloten, der die Lücken in Ihren Gesprächen mit kontextbezogenen Informationen füllt ...", sagte John Roese, CTO von Dell, bereits im Juli bei einem Treffen mit Investoren.
Die Suche nach den Killer-Apps
Während die erste Welle von Computern, die als KI-PCs bezeichnet werden, in diesem Jahr auf den Markt gekommen ist und weitere in den kommenden Monaten folgen werden, sagten die Anbieter, dass sie noch auf der Suche nach KI-Erfahrungen sind, die diese Geräte unverzichtbar machen können. Und hier kommen die Partner ins Spiel.
Intel-Chef Gelsinger machte recht klar, dass ISV die Schlüsselrolle für den Erfolg spielen. "Wir haben uns immer wieder die Frage gestellt: Was ist die Killer-App? Und meine einfache Antwort darauf sind Sie. Sie werden diejenigen sein, die diese Anwendungen und Anwendungsfälle der nächsten Generation entwickeln", so Gelsinger in einer Rede auf der Intel Innovation im September.
Um Anreize für die Entwicklung zu schaffen, hat Intel das branchenweit erste Programm zur Beschleunigung von KI-PCs ins Leben gerufen, das Entwicklern eine Fülle von Ressourcen für Technik, Design und Marketing zur Verfügung stellt. Mehr als 100 ISVs nehmen bereits an dem Programm teil, darunter Adobe, Zoom Video Communications und Cisco Systems.
AMD wiederum hat einen Wettbewerb ins Leben gerufen, bei dem es 10.000 Dollar als Belohnung für den Entwickler auslobt, der eine überzeugende Anwendung für Ryzen-betriebene KI-PCs entwickelt.
Nach wie vor ungelöst ist allerdings die Frage, ob und wie sich Unternehmen und Verbraucher davon überzeugen lassen, dass ihr nächster Rechner ein KI-PC sein muss.