KI und Cloud: Das iPhone-Moment im deutschen Mittelstand
"KI ist im Mittelstand angekommen. Wir werden jeden Tag um Beratung gefragt", sagt Alkwin Penner von Adesso bei der Panel-Diskussion von Ionos. Der deutsche Mittelstand umarmt sehr früh eine Technologie mit kaum zu überschätzendem Potential. Warum es zur erhofften Wende hin zu mehr Produktivität noch ein langer Weg sein könnte.
Jeder der fünf IT-Experten bei der Panel-Diskussion von Ionos am Donnerstag im Westfalen-Stadion des BVB Dortmund berichtete von einem "iPhone-Moment", als vor genau einem Jahr OpenAI seine Webseite ChatGTP für die Öffentlichkeit freischaltete. Vorredner Markus Noga, CTO bei Gastgeber Ionos, gab die Vorlage. "Wie schwer ist ein Elefantenei?" lautete sein Prompt. Im Brustton der vollen Überzeugung spuckte die Maschine unmittelbar den Text aus, garniert mit einer nach Maßen und Gewichten differenzierten Tabelle. Blöd nur, dass Elefanten Säugetiere sind! Das erklärt, warum "Korrektheit und Qualität" mit 78 Prozent als die größte Hürde für KI in einer von Ionos beauftragten Umfrage zu KI genannt wird - neben Datenschutz und Datensicherheit (72 Prozent).
Weiter geht es im Hürdenlauf: Eine Folie potentiell gefährdeter Berufe, die eine KI schneller und vor allem billiger ersetzt (wenig entlohnte Kassierer im Supermarkt oder Bedienungen sind genauso gefährdet wie der Salesmitarbeiter mit Durchschnittsgehalt von 60.000 oder der Kreditsachbearbeiter mit unter 100.000).
Anders als bei Cloud: Offenheit für KI ist da
Dann blendet Noga den Chart der Produktivitätsentwicklung der letzten zwei Dekaden der deutschen Wirtschaft ein und es wird klarer, warum Unternehmer hierzulande alle Ängste und Bedenken bezüglich KI offensichtlich schneller beiseiteschieben, als sie das bei früheren technologischen Innovationen getan hatten. Man erinnere sich nur an Cloud Computing. Es hat einige Jahre gedauert, bis die Frage aus der Fachpresse verschwand, ob man die Cloud wirklich braucht. Die Relevanz von KI stand und steht nicht zur Debatte. Nicht das "ob", sondern das "wie" wird heiß diskutiert.
Wie weit soll KI gehen? Welche technologischen, organisatorischen, rechtlichen Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, um einen Nutzen aus KI ziehen zu können. Wie geht man KI an? Was ist schon in der Praxis realisiert? Wie viel kostet das? Wann rechnet sich die Investition? Wer kann KI-Beratung und Strategiepläne aufstellen, wer bei Projekten unterstützen? Gespannt verfolgten die rund 100 Entscheider aus der Wirtschaft die Diskussion, zu der Ionos geladen hatte.
"Wir werden jeden Tag nach Beratung gefragt", sagt Alkwin Penner, Global Head of Cloud beim IT-Dienstleister Adesso. KI ist, ein Jahr nach dem Launch von ChatGPT und der gewaltigen Resonanz in den Medien, "im Mittelstand angekommen", sagt der Manager. Der iPhone-Moment, also. Der, wie Apple die Kommunikation revolutionierte, nun Unternehmen auf vielen Ebenen effizienter und produktiver wird arbeiten lassen?
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KI und Cloud: Das iPhone-Moment im deutschen Mittelstand
"KI ist im Mittelstand angekommen. Wir werden jeden Tag um Beratung gefragt", sagt Alkwin Penner von Adesso bei der Panel-Diskussion von Ionos. Der deutsche Mittelstand umarmt sehr früh eine Technologie mit kaum zu überschätzendem Potential. Warum es zur erhofften Wende hin zu mehr Produktivität noch ein langer Weg sein könnte.
Viele Praxisbeispiele: Big Data und KI in der Ostsee
So jedenfalls die Hoffnung, die sicher nicht unberechtigt ist, waren sich Panelteilnehmer einig. Wenn Unternehmen die Voraussetzungen schaffen. Ohne Cloud geht es nicht, Datensilos müssen aufgebrochen werden, überhaupt verstreute Daten in diversen Quellen aus vielen Jahrzehnten zusammengeführt und klassifiziert werden. Eine sehr langweilige Tätigkeit, sagt Sebastian Amtage, CEO von Stackable, aber Datenqualität sei nun mal die Voraussetzung, dass eine KI eine zuvor definierte Aufgabe sinnvoll erfüllen könne.

Praxisbeispiele gibt es schon viele. Oft steckt ja KI bereits in Applikationen drin, von Nutzern weitgehend unbemerkt. Rainer Sträter von Ionos: "Unser AI-Webseitengenerator erstellt Webseiten mit Texten und wenn gewünscht Bildern. Nutzer geben Stichworte ein und werden durch Abfragen navigiert." Webseiten mit diversen Vorlagen ohne Programmierkenntnisse zu erstellen, hat 1&1 vor Jahren schon eingeführt. Mit KI im Hintergrund funktioniert die Erstellung einer Webseite wesentlich schneller und sie sieht auch professioneller aus.
Large Language Modelle spielen hier ihre ganze Macht aus, beispielsweise auch bei der Angebotserstellung. Produkttexte für E-Commerce-Seiten, Kataloge oder das Marketing, KI-generierte Bilder - frei von Urheberrechten. KI kann die Bearbeitungszeit von KFZ-Versicherungsschätzen von Tagen auf Minuten reduzieren.
Maschinendaten von IoT-Clients oder IP-Kameras lassen neue Möglichkeiten entstehen. Aus Geräuschen oder Leistungsdaten lassen sich Aussagen zur Wartung von Bausteilen ableiten. Aus vielen Röntgenbildern Muster erkennen, die einem Arzt helfen, besser zu diagnostizieren. Viele Praxisbespiele wurde bei der Diskussion im BVB-Stadion genannt.
Ob das Scannen von Gesichtern bei Massenveranstaltungen wie Fußballspielen oder Demonstrationen und ihre Verknüpfung der Daten mit Systemen bei Polizeiregistern (Personen mit Stadionverboten oder potenziell gewaltbereite Personen) konsensfähig ist in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, wird nicht von IT-Entscheidern beantwortet.
Technologisch möglich ist vieles. Gegen optische Qualitätskontrolle am Fließband hat sicher niemand etwas einzuwenden. Oder wenn Big Data auf hoher See zum Einsatz kommt, wo Hochleistungskameras die Umgebung eines Schiffs nach Seeminen und andere gefährliche Munition detektieren.
KI-Flieger landet wieder
Vieles liegt noch in der Zukunft, viele KI-Projekte bewähren sich aber schon heute in der Praxis. Apropos Praxis. Ein Teilnehmer holt die Experten vom Podium ab und setzt sie wieder auf den Boden des deutschen Mittelstands, respektive eines Kunden von ihm: ein größeres Krankenhaus. Er wirft das Thema "digitale Eingangsrechnung" auf, das er seit einigen Jahren weitgehend erfolgsfrei in der Umsetzung mit dem Träger diskutiert. Lachen im Publikum, das noch lauter wird, als der Begriff Onlinezugangsgesetz fällt, mit dem der Bund ja glaubt, dass sich digitale Verwaltungsdienste per Rechtsanspruch doch durchsetzen lassen müssten.
Man wünsche, dass der iPhone-Moment bei KI vom deutschen Mittelstand auf den Public Sektor überspringen möge. Nicht per Verordnung, sondern verpflichtenden Teilnahmen an solchen Panel-Diskussionen, wie Ionos sie im Dortmunder Westfalenstadion organisiert hat.
Teilgenommen am Panel haben: Thomas Ritter, Moderator und Pressesprecher Ionos, Rainer Sträter, SVP Cloud Services and Digital Ecosystems Ionos, Alwin Penner, Global Head of Cloud Aedesso, Sebastian Amtage, CEO Stackable, Paul Lajer, VP CGI und Stephan Horst, Leiter IT BVB Dortmund. Den Impulsvortrag hielt Markus Noga, CTO Ionos.