Bechtle kauft Mehrheit am Rostocker KI-Unternehmen Planet AI
In mehrfacher Hinsicht ist die Bechtle-Beteiligung an Planet AI erstaunlich. Sie ist so ganz anders als die bisher mehr als 100 Übernahmen des Systemhaus-Riesen. Der Anspruch ist hoch: die neuen Partner wollen eine führende Rolle bei künftigen KI-Innovationen in Europa spielen.
Der deutsche Deep-Learning-Spezialist Planet AI gehört nun zu 51 Prozent Bechtle, auf die restlichen Anteile hat Deutschlands größtes Systemhaus eine Kaufoption. Die erste Überraschung: Normalerweise übernimmt Bechtle andere IT-Häuser vollständig.
Das Unternehmen ist eine GmbH-Ausgründung der Planet Intelligent Systems GmbH und seit 2015 mit eigenentwickelten technologischen Lösungen für intelligente Dokumentenanalyse und Prozessautomatisierung tätig. Die knapp über 40 Mitarbeiter sind überwiegend in der Forschung und Entwicklung tätig. Auch das ist eine Abweichung der bisherigen Geschäftsphilosophie bei Bechtle, denn als System- und IT-Handelshaus setzen die Schwaben für gewöhnlich auf bereits etablierte Herstellerlösungen, eine F&E-Abteilung wie bei Herstellern gibt es so bei Bechtle nicht. Aber sehr wohl Manager, die im Business Development über die Zukunft nachdenken, die Aktivitäten der Universitäten und der IT-Hersteller sehr genau beobachten.
Planet AI wurde mehrfach bei internationalen Wettbewerben ausgezeichnet, der KI-Spezialist ist Partner von Forschungseinrichtungen und Universitäten, aber auch - und das dürfte viel für ein Invest gesprochen haben - Partner von IBM und anderen Technologiefirmen, zu denen Bechtle seit Jahren ausgezeichnete Kontakte pflegt.
Allerdings - und hier zeigt sich, dass Bechtle keinen rein akademischen Ansatz verfolgt - hat Planet AI bereits eine vermarktbare Lösung, die auch schon in der Logistik, der Verkehrsüberwachung, bei Banken und Versicherungen, im Gesundheitswesen sowie in Archiven zum Einsatz kommt. Es ist die selbst entwickelte KI-Plattform PlanetBrain mit patentierter Kerntechnologie, auf deren Grundlage eine intelligente Dokumentenanalyse möglich ist (IDA). Die Lösungen eine an Genauigkeit deutlich überlegene Softwareplattform, mit der Unternehmen hand- und maschinengeschriebene Dokumente, Belege und Texte automatisiert verarbeiten, Dokumententypen klassifizieren und Informationen extrahieren können, erläutert Bechtle. Weitere Einsatzgebiete im Bereich der Bild- und Spracherkennung seinen möglich.
3,1 Mio. Euro hat das Rostocker Start-up damit im vergangenen Jahr bereits umgesetzt. Der Grundstein für den Ausbau dieses Geschäfts ist also gelegt. Bechtle wird ein Hersteller, das ist - abgesehen von der Peripherie-Eigenmarke Articona - neu.
"Als IT-Zukunftspartner haben wir den Anspruch unsere Kunden durch zukunftsorientierte Technologien langfristig erfolgreich zu machen", kommentiert Michael Guschlbauer, Vorstand IT-Systemhaus & Managed Services, bei Bechtle. "Mit den innovativen Entwicklungen von Planet AI stärken wir die zentralen Geschäftsprozesse unserer Kunden durch exzellente KI-Anwendungen."
Das längerfristige Ziel von Bechtle und seinem neuen Partner: Das Ziel: Das KI-Ökosystem in Europa zu stärken und eine führende Rolle bei zukünftigen Innovationen einzunehmen.
Management bleibt an Bord
Wie bei jeder Akquisition, bei der Gesellschafter nicht explizit eine Nachfolge regeln, weil sie ausscheiden wollen, setzt Bechtle auf Kontinuität der Führungsspitze. So auch bei seiner neuen Mehrheitsbeteiligung an Planet AI. Das bestehende Führungsteam und die Gründer von bleiben an Bord, allerdings in neuer Konstellation. CEO wird Jesper Kleinjohann.
Welf Wustlich bleibt in der Rolle des Chief Technology Officers (CTO) und Hagen Wustlich wechselt in den Beirat des Unternehmens. Die Brüder Hagen und Welf Wustlich beschäftigen sich laut Bechtle seit mehr als dreißig Jahren mit künstlichen neuronalen Netzen und gründeten bereits 1992 Planet Iintelligent Systems, aus der Planet AI hervorging. "Wir kennen die überragende Qualität unserer Entwicklungen. Um unser Wachstum zu beschleunigen, fehlte uns bisher ein Partner, der einen sehr breiten Zugang zum Markt hat und die Fähigkeiten besitzt, unsere Lösungen weiter zu skalieren," so Kleinjohann. Bechtle bringe beides mit, und zudem: "den Willen, gemeinsam den enormen Nutzen von KI in der Arbeitswelt wirksam werden zu lassen", sagt der 38-jährige CEO von Planet AI.