Spotlight auf Südeuropa: Vertrauen, Konsolidierung und die Mafia: Der Channel spricht über die Risiken und Chancen in Italien, Spanien und Portugal

Spotlight auf Südeuropa: Vertrauen, Konsolidierung und die Mafia: Der Channel spricht über die Risiken und Chancen in Italien, Spanien und Portugal

Ein lokaler Partner, zwei paneuropäische MSPs und ein US-Anbieter erklären CRN, warum die IT-Ausgaben in Südeuropa wachsen werden, warum die Anti-Mafia-Gesetze Rom immer noch zu einem schwierigen Ort für Reseller machen und warum der Markt nach Beratungsexpertise sucht

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Spotlight auf Südeuropa

In CRN's fortlaufender Spotlight Serie werfen wir nun einen Blick auf den südeuropäischen Markt.

Wir haben mit dem größten Distributor der Region, einem Hersteller und zwei paneuropäischen Partnern, die in dieser Region investiert haben, gesprochen.

Wir haben sie gefragt, was nötig ist, um erfolgreich auf den dortigen Märkten zu landen und zu expandieren, welche Trends es im Tech Procurement gibt und welche lokalen Besonderheiten Channel-Akteure, die ihren Blick auf die Region richten, beachten sollten.

Eine Geschichte von drei Märkten

Zuallererst ist die Situation in den Regionen sehr divers.

Laut BIP-Wachstumsprognosen für 2020, sollte Spaniens Wirtschaft um 1,5 Prozent wachsen - und damit stärker als Deutschland mit einem Prozent und Großbritannien mit 0,5 Prozent.

Allerdings sind Italien und Portugal die schwächsten Glieder der Region. Das Wachstum sollte sich auf magere 0,7 bzw. 0,4 Prozent belaufen, was sie zu den am langsamsten wachsenden EU-Volkswirtschaften macht.

Das macht diese Märkte jedoch gleichzeitig reif für Konsolidierung und Übernahmen.

Eines der größten Beispiele der letzten Jahre für die Übernahme eines lokalen Anbieters durch einen externen Reseller war der Kauf von MSP ITEN durch Claranet, einem der größten Solution Provider in Portugal, im Jahr 2017.

Zum damaligen Zeitpunkt erklärte CEO Charles Nasser gegenüber CRN, dass es sowohl in Portugal als auch im restlichen südeuropäischen Markt noch viele Konsolidierungsmöglichkeiten gebe.

Und wenn man einmal drin ist, ist der Markt noch lange nicht gesättigt.

'Eine sehr flache Landschaft'

Alessandro Cattani ist der Geschäftsführer des größten italienischen, spanischen und portugiesischen Distributors Esprinet.

Mit Umsätzen von €3,6 Mrd. und einer Präsenz in allen drei Ländern sieht Cattani als eines der Hauptmerkmale des Marktes, dass er im Vergleich zu Westeuropa bei der Nutzung von Technologien noch ein wenig hinterherhinkt.

Für ihn bedeutet dies zweierlei: Erstens, dass die Möglichkeiten, Marktanteile zu erobern enorm sind, da der Bedarf an digitaler Transformation wächst, und zweitens, dass jene Unternehmen, die sich die Mühe machen ihre Kunden zu schulen, belohnt werden.

"Im Moment haben wir es vor allem mit kleinen und mittelständischen Unternehmen, die von Natur aus einfachere Anforderungen an die IT haben, zu tun. Aber das wird sich ändern", sagte er.

"Es ist also eine Menge Ausbildung erforderlich, um Technologien, insbesondere fortgeschrittene Technologien, auf den Markt zu bringen. Es gibt einen überdurchschnittlich hohen Bedarf an Beratung und Schulung für die Endkunden."

Er fügte hinzu, dass seiner Meinung nach Partner in einem derartigen Umfeld mutiger sein und sich besser abheben können als in einem größeren, gesättigten Markt.

Thomas Jensen, EVP von Bechtle für die Mittelmeerregion, stimmt dem zu.

Der deutsche VAR-Riese betrachtet die Region als Schlüssel zu seiner EMEA-Strategie.

Und nach 20 Jahren Arbeit in der Region sagt Jensen, dass es wichtig ist, die Struktur des Channels zu kennen.

"In der südeuropäischen Partnerlandschaft gibt es nur wenige große Player, aber keiner von ihnen dominiert den Markt", sagt er.

"Typischerweise ist es eine sehr flache Landschaft mit vielen mittelständischen Partnern. Unsere Absicht ist es, zu einem der bedeutenden Akteure in jedem der südeuropäischen Märkte zu werden, und wir werden uns dadurch abheben, dass wir einer der wenigen Partner an der Spitze jedes Marktes sind.

"Die Kunden dort sind viele mittelständische Unternehmen, und das ist wirklich unser Sweet Spot", fügte er hinzu. "Wir waren nie ein Unternehmen, das aggressiv die großen Unternehmen in diesem Markt verfolgt hat. Und wir sind im ersten Halbjahr 2019 zweistellig gewachsen, mit einem Hauptfokus auf mittelständischen Kunden."

Allerdings ist Größe nicht alles. Für Kunden in dieser Region scheint eine echte Lokalisierung unverzichtbar zu sein.

Ein direkter und persönlicher Kontakt

"Ein weiteres wichtiges Merkmal ist, dass es sich um einen sehr "beziehungsorientierten Markt" handelt", erklärt Cattani von Esprinet.

"Was ich damit sagen will, ist, dass es vielleicht Teil des Charakters der Menschen im Mittelmeerraum ist, dass sie ein intrinsisches Bedürfnis haben, persönliche Beziehungen zu knüpfen, auf denen sie Vertrauen aufbauen können. Dies ist Teil des höheren Beratungsniveaus, das man anbieten muss, um hier erfolgreich zu sein.

"Man muss nicht nur das Wissen besitzen, sondern auch die richtige Art von Investitionen vor Ort tätigen, wenn man in diesem Channel eine Beziehung aufbauen will."

Diese Lektion hat der Netzwerksicherheitsanbieter WatchGuard in den 15 Jahren seiner bisherigen Tätigkeit in der Region gelernt.

"Ein kleines, aber essenzielles Beispiel, das von anderen Anbietern oft übersehen wird, ist die Lokalisierung", sagt Maria Pinto, Regional Director of Field Marketing für EMEA bei WatchGuard.

"Die Sprache ist eine der größten Barrieren in der Region. Um erfolgreich zu sein, muss ein Anbieter jedes einzelne Land in seiner eigenen Sprache und seinem eigenen Stil ansprechen. Das gilt für alle Bereiche, vom Vertrieb und Marketing über den technischen Support bis hin zu Schulungen und Produkt- oder Service-Upgrades."

Sie fügte hinzu: "Rund 96 Prozent der Unternehmen haben weniger als 50 Mitarbeiter und verfügen in den meisten Fällen nicht über ein hochqualifiziertes, engagiertes Security-Team. Daher sind sie auf vertrauenswürdige IT-Partner angewiesen, wenn es um Anleitung, Beratung und Entscheidungen geht… Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen sind in dieser Region sehr wichtig."

Wohin fließt das Geld?

WatchGuard's Pinto sagte, dass südeuropäische Kunden im Allgemeinen keine Early Adopters sind. Was sich daher gut verkauft, sind "solide, gut etablierte Marken und bewährte Technologielösungen."

Sie fügte hinzu, dass sie den Markt auch als preissensitiv charakterisieren würde und dass sich WatchGuard dahingehend angepasst hat, indem es seine "Cyber-Security-Lösungen auf Enterprise-Niveau" zu einem für die Mehrheit der Endbenutzer, mittelständische Unternehmen, zugänglichen Preis angeboten hat.

"Im Allgemeinen suchen Unternehmen nach Komplettlösungen, die einfach zu installieren und zu verwalten sind und sehr niedrige "Total costs of Ownership (TCO)" aufweisen. Die jüngsten Ransomware-Angriffe haben die Region sehr hart getroffen, während Vorschriften wie GDPR die Unternehmen dazu gezwungen haben, im Rahmen ihres Budgets in zusätzliche Cyber-Security-Technologie zu investieren."

Ergänzend erwähnte sie, dass aufgrund der Kombination nach dem Wunsch nach lokaler Beratung und einem "guten Preis-Leistungs-Verhältnis" die Value-Added-Distribution erfolgreicher ist als breit angelegte, volumenbasierte Distributionssmodelle.

"Reseller stellen hohe Anforderungen an den Vertrieb, darunter Support, Schulungen, flexible Logistik und Kreditlinien. Deshalb ist es wichtig, dass die Hersteller auch die notwendigen Werkzeuge und Unterstützung für die Distribution bereitstellen."

Für Jensen von Bechtle unterscheiden sich die Procurement Trends nicht allzu sehr von denen im übrigen Europa.

"Die Fähigkeit, nachhaltige IP-Lösungen zu besitzen, sei es auf Geräten oder der Infrastruktur, ist auch hier der Schlüssel", sagte er.

"Man muss ihnen dabei helfen, ihr Geschäft wirklich zu einem Cloud-fähigen Geschäft und einem As-a-Service-Geschäft zu entwickeln."

Jedoch glaubt er, dass es nicht zielführend ist, die Kunden zu stark in eine bestimmte Richtung zu drängen.

"Ich habe den Eindruck, dass insbesondere viele der Hersteller und auch einige unserer Kollegen sehr starr versuchen, as-a-service zu forcieren. Das hat seine Berechtigung, ist aber hier nicht der richtige Ansatz."

"Wir müssen zuhören, wo sie sich in ihrem IT-Lebenszyklus befinden. Und dann hilft man ihnen am besten in diesem Stadium und versucht nicht, ihnen eine Technologie oder ein Geschäftsmodell aufzuzwingen, für das sie noch nicht bereit sind."

Dies gelte insbesondere für das, was er als konservative Herangehensweise an die Cloud beschreibt.

"Sie wollen genau verstehen, was die Cloud für sie tun kann, bevor sie ihr Geschäft dorthin verlagern. Es besteht kein Zweifel, dass die Cloud die Zukunft ist. Aber das bedeutet nicht, dass jeder Kunde sofort auf den Zug aufspringt und auf die Cloud umsteigt."

"Es ist nicht anders als beim Übergang vom Schwarzweiß- zum Farbfernsehen; die Inkubationszeit hat eine ganze Weile gedauert."

Der Country Manager Italien von Insight, Pietro Marrazzo, betonte drei wichtige Prioritäten bei den Ausgaben.

"Wenn ich mit CEOs spreche, ist deren erste Priorität Security, und das wird auch durch die gesetzlichen Anforderungen der GDPR angetrieben." sagte Marrazzo.

"Der zweite Bereich sind die Rechenzentren, denn natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen der Art und Weise, wie die Menschen heute arbeiten, wo die Daten gespeichert werden und wo die Anwendungen sind, die sie nutzen."

"Und so wächst die Einsicht, dass Unternehmen die Art und Weise, wie sie ihre Rechenzentren verwalten, ändern müssen. Die Hybrid Cloud wächst wirklich stark und ist die treibende Kraft für etwa 50 Prozent der Services, die wir heute auf dem italienischen Markt anbieten."

"Und der dritte Bereich, der exponentiell wächst, ist KI und IoT. Neunzig Prozent unserer Interaktionen mit diesen Technologien sind darauf zurückzuführen, dass Unternehmen ihr Geschäftsmodell ändern wollen und die Infrastruktur vorbereiten müssen. Ich denke, dass Unternehmen mit Hilfe von Diensten wie KI und kognitiven Services die Art und Weise, wie wir arbeiten, wirklich verändern können."

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Die Hindernisse - Infrastruktur und ‘Das Mafia-Problem'

Auf die Frage nach der Stärke des öffentlichen Sektors in Südeuropa mahnte der Esprinet-Chef zur Vorsicht.

"Er ist in ganz Spanien und in geringerem Maße auch in Italien von überragender Bedeutung, aber das römische Ökosystem bildet hier eine große Ausnahme", sagte Cattani.

"Im Raum Rom in Italien befinden sich die meisten Regierungsbehörden. Und ein lokales System von Corporate Resellern hat gelernt, wie man mit den sehr komplexen und byzantinischen Vorschriften dort umgeht."

Infolgedessen hat nur eine kleine Handvoll von Resellern in Italien Zugang zum öffentlichen Sektor, erklärt Cattani.

"Das liegt am Mafia-Risiko; denn man muss tonnenweise Dokumente vorlegen und spezielle Fachkenntnisse entwickeln. Es gibt eine Reihe von Resellern, die über dieses Fachwissen verfügen, aber das sind meist römische Unternehmen."

Cattani wies darauf hin, dass hingegen in Spanien und Norditalien fast alle Corporate Reseller Zugang zu staatlichen Aufträgen haben.

Er ging sogar so weit, dass er die nördliche Region in dieser Hinsicht eher mit den Benelux-Ländern oder Deutschland vergleichen würde.

In Bezug auf Rom stimmt Marrazzo, Country Manager für Italien bei Insight, jedoch zu, dass man "das Mafia-Problem" meiden sollte.

Er erwähnte gegenüber CRN, dass die Einnahmen des öffentlichen Sektors nur ein Prozent seines Geschäfts ausmachen.

"70 Prozent unserer Geschäfte in Italien finden im Norden des Landes, rund um Mailand, statt.

"Wenn man sich die Region Rom in Italien ansieht, stellen wir fest, dass wahrscheinlich 80 Prozent der großen Ausgaben auf den öffentlichen Sektor entfallen. Aber in meinem Unternehmen machen die Einnahmen des öffentlichen Sektors nur ein Prozent aus."

Warum? Wegen der Komplexität der Bürokratie, erklärte er.

"Es stimmt und ich würde sagen, dass die italienische Regierung in dieser Angelegenheit [Umgang mit der Mafia] viel verbessert hat, so dass die Ausschreibungen jetzt so komplex sind, weil die Art und Weise der Zahlungsabwicklung verändert wurde. Aber es ist noch immer nicht jenes Niveau, das man von Privatunternehmen erwarten würde, und ich denke, dass es für mich zu komplex ist, in der Zentralregion Rom zu arbeiten.

Ein weiteres zentrales Hindernis für die Beschleunigung des digitalen Wandels ist die Infrastruktur der Region.

"Nur 25 Prozent des italienischen Territoriums verfügen über Glasfaser", sagte Marrazzo.

"Das ist also etwas, das man hier bei der Betrachtung des Potenzials der Technologie berücksichtigen sollte. Die Infrastruktur ist nicht in der Lage, alle Unternehmen in Italien zu unterstützen. Wenn ich mir ansehe, was sich ändern muss, dann müssen die Länder natürlich die Infrastruktur ausbauen und in Glasfaser und 5G investieren, die allesamt für die digitale Transformation entscheidend sind."

Das wichtigste Zentrum, in dem diese Investitionen getätigt wurden, ist Mailand.

Marrazzo schätzt, dass rund 60 Prozent der in Italien tätigen Großunternehmen dort ansässig sind.

"Ich weiß, wie sehr die Unternehmen in Italien - und auch in Spanien - ihre Cloud-Services ausbauen wollen. Es geht darum, herauszufinden, wo sie tatsächlich in der Lage sind, mit den Workloads und diesen Services in Bezug auf die unterstützende Infrastruktur zu arbeiten."

Langsam, aber stetig…

Für diejenigen, die bereit sind, zu investieren, skizzieren die jeweiligen Führungskräfte ein Szenario, was man als das Sprichwort "großer Fisch im kleinen Teich" beschreiben könnte.

Angesichts der steigenden Investitionen in die Infrastruktur und des BIP-Wachstums wird dieser Teich jedoch größer werden.

WatchGuard beobachtet, dass eine große Anzahl von Partnern und Endanwendern sich mit der Einführung von Cloud-Lösungen weiterentwickelt und zum Kauf und Einsatz von As-a-Service-Lösungen übergeht.

"Einige Partner gehen bereits vom traditionellen Verkauf zu MSSPs über, und dies ist ein Trend, den WatchGuard genau verfolgt und unterstützt..."

"Auch wenn die Region nicht an der Spitze dieses Marktübergangs steht, hält sie sicherlich mit den Geschehnissen im Rest von EMEA Schritt."

Auch der CEO von Esprinet rät den Unternehmen, die Konsolidierungs- und Wachstumschancen eines Marktes zu nutzen, in dem es noch nicht so viele Giganten gibt.

Sein abschließender Rat: "Ihre Aktivitäten müssen hier unbedingt als lokal wahrgenommen werden. Das wird sich auf Ihre Fähigkeit auswirken, Ihr Know-how weiterzugeben und angenommen zu werden."

Und Jensen von Bechtle, der nach fünf Jahren in den USA zurückkehrte, sieht in Südeuropa ein großes Wachstumspotenzial.

"Ich war ein paar Jahre weg, und ich glaube, viele sehen den Mittelmeerraum als eine sich langsam bewegende und komplizierte Region. Aber ich denke, sie wird wirklich unterschätzt."

"Es wird hier ein enormes Wachstum für jene Akteure geben, die die Investitionen tätigen."