Was für eine Verschwendung von Talenten!
Frauen haben 64 Prozent der Rechte, die Männer haben. Von einer paritätischen Besetzung in Vorständen sind deutsche Aktiengesellschaften meilenweit entfernt. Es halten sich veraltete Rollenklischees. Geld gibt es ohnehin weniger für Frauen. Wie lange wollen wir noch Weltfrauentage begehen?
Heute ist internationaler Weltfrauentag. Dieser Tag geht zurück auf den 8. März 1975, als die UN im Rahmen des "Internationalen Jahrs der Frau" erstmals eine Feier ausrichtete. Es dauerte dann noch zwei Jahre, bis sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf eine Resolution einigte und alle Staaten der Welt aufrief, sie mögen doch bitte einen Tag im Jahr zum "Tag für die Rechte der Frau und den Weltfrieden" begehen. Alleine die Kombination Frau und Weltfriede ist schon bemerkenswert. Offenbar trauten die UN-Delegierten (in überwältigender Anzahl Männer) die Befriedung der Welt nur Frauen zu, weil es doch stets und bis heute Männer sind, die Weltbrände entfachen. Letzten Erhebungen aus dem Jahr 2016 zufolge lag der Frauenanteil in der UN-Generalversammlung bei rund einem Viertel.
Macht ist männlich
Unterrepräsentiert also, wie in so vielen Gremien. Weibliche Vorstände bei DAX-Unternehmen beispielsweise: stagniert bei 23 Prozent. Noch schlechter bei mittelgroßen deutschen Aktiengesellschaften: im letzten Jahr stieg der Frauenanteil immerhin, von bescheidenen 14 auf immer noch bescheidene 17 Prozent. Macht ist männlich. In der Wirtschaft, beim Geld und vor dem Gesetz.
Gender Pay Gap
Geld: 98 Volkswirtschaften haben Rechtsvorschriften erlassen, die Frauen für gleichwertige Arbeit gleiches Entgelt vorschreiben. Nur 35 Länder hätten Maßnahmen zur Lohntransparenz oder Mechanismen zur Bekämpfung des Lohngefälles verabschiedet, so eine Untersuchung der Weltbank. Bei der Entlohnung verdienten Frauen nur 77 Cent für jeden Dollar, der an Männer gezahlt wird, so die Weltbank in ihrer Pressemeldung vom 4.März 2024. "Die Kluft bei den Rechten erstreckt sich bis hin zum Ruhestand. In 62 Volkswirtschaften ist das Alter, in dem Männer und Frauen in Rente gehen können, nicht das gleiche".
Zementierte Ungleichheit
Rechte: Nicht einmal die wohlhabendsten Länder der Welt gewähren der Weltbank zufolge Frauen die gleichen Rechte wie Männer, schreibt die Weltbank. Global gesehen, würden Frauen im Schnitt nur 64 Prozent der Rechte genießen, die Männer haben. Der Bericht habe, schreibt dpa, Gesetze und Vorschriften in zehn verschiedenen Bereichen in 190 Volkswirtschaften untersucht: Mobilität, Arbeitsplatz, Ehe, Elternschaft, Vermögen oder Ruhestand, Sicherheit vor Gewalt und Zugang zu Kinderbetreuungseinrichtungen. "Wenn man alle untersuchten Bereiche einbezieht, bietet kein Land Frauen gleiche Chancen", so dpa.
Verschleppte Reformen
"Überall auf der Welt hindern diskriminierende Gesetze und Praktiken Frauen daran, gleichberechtigt mit Männern zu arbeiten oder Unternehmen zu gründen," sagt Indermit Gill, Chief Economist of the World Bank Group and Senior Vice President for Development Economics.
Würden Staaten, oft genug geführt von alten weißen Männern, ein Wunder vollbringen und die zementierte Ungleichbehandlung aufbrechen, Herr Gill? "Das globale Bruttoinlandsprodukt könnte um mehr als 20 Prozent steigen und damit die globale Wachstumsrate in den nächsten zehn Jahren verdoppeln". Prima, und nun? Gill: "Frauen haben die Macht, die Weltwirtschaft anzukurbeln, und doch werden sie durch Gesetze und mangelnde Umsetzung oft im Abseits gehalten. Die Reformen kommen nur schleppend voran."
Hartnäckiger Irrglaube
Verlassen wir die Vogelperspektive und tauchen in die IT-Branche ein. Keine Pressemitteilung zum Fachkräftemangel, in der auf das ungenutzte Potential von Frauen hingewiesen wird - ganz unabhängig vom heutigen Weltfrauentag. "Wir brauchen dringend mehr Frauen in IT-Berufen", so Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. "Wir müssen das enorme Potenzial von Frauen für die digitale Wirtschaft viel stärker aktivieren".
Vom "brauchen" und "müssen" bis zur Umsetzung und schlussendlichen Ergebnissen ist es ein langer Weg. "Veraltete und schlichtweg unzutreffenden Rollenklischees", so Wintergerst, stünden im Weg. Damit muss aufgeräumt werden. Wer dafür zuständig ist? Der Cortex vor allem wohl von Männern, der von Stereotypenbildung im Kopf gereinigt gehört.
73 Prozent der ITK-Unternehmen sagen nämlich, dass die ITK-Branche das Potenzial von Frauen unterschätze, wo doch Frauen Produktivität und Kreativität in Teams von Unternehmen bringen würden. Aber 43 Prozent sagen, Männer seien für ITK-Berufe einfach besser geeignet. Ein Irrglaube, widerspricht Wintergerst diesem offenbar besonders hartnäckigem Stereotyp.