Sechs KI-Trends, die jede IT-Führungskraft im Blick haben sollte
Risiken abschätzen, Chancen erkennen, priorisieren: Das ist immer schon die Aufgabe von IT-Führungskräften. Erst recht, wenn es um den Einsatz von generativer KI geht - angefangen bei der Art und Weise, wie wir arbeiten, bis hin zur Bewertung von Talenten und der Interaktion mit Kunden.
Gregor Bieler, seit September 2023 Head of Central Europe bei Cognizant, sieht wie viele Experten in der IT-Branche die radikalen Veränderungen, die der Einsatz von künstlichen Intelligenz auslöst. In seinem Gastbeitrag erläutert er, wie KI in vielen Bereichen zu Umwälzungen führen wird: Führung, Arbeitsmarkt, Geschäftsprozesse und Entscheidungsfindung.
KI nivelliert traditionelle Hierarchien
Als universell verfügbare Technologie ebnet generative KI Hierarchien ein. Menschen werden vermehrt nach ihren Fähigkeiten und weniger nach ihrer beruflichen Seniorität ausgewählt. Die richtige Mischung an Fähigkeiten für ein Projekt kann in jeder Unternehmensebene gefunden werden. Führungskräfte müssen alle Ebenen des Unternehmens gleichermaßen erreichen, um projektorientiert optimale Teams zusammenzustellen. Hierarchien verlieren in diesem Szenario an Bedeutung, denn anstatt Jobtitel oder Seniorität bestimmen die (KI-)Fähigkeiten einer Person deren "Stellung" innerhalb eines Teams. Fachkräfte werden deshalb mehr Möglichkeiten haben, zu führen und zu wachsen.
Neuer Kampf um Nachwuchstalente
Der anhaltende KI-Boom bringt Datenschutzbedenken und Budgetkürzungen mit sich. Dies heizt den Wettbewerb um Talente in den Bereichen Cyber- und Softwareentwicklung an. Gleichzeitig steigt die Diversität in der Belegschaft. Eine aktuelle Studie von Cognizant unter Geschäfts- und IT-Entscheidungsträgern zeigt: Fast alle (92 Prozent) der befragten Führungskräfte gehen davon aus, dass eine hochgradig diverse Belegschaft notwendig ist, wenn sie künftig auf generative KI setzen. 94 Prozent sind der Meinung, dass die Demokratisierung der Technologie durch generative KI die Beschäftigungschancen für unterrepräsentierte Gemeinschaften erhöhen wird.
Softe Leadership-Skills gewinnen an Bedeutung.
Da sich die KI-Technologielandschaft stetig wandelt, müssen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter:innen das Unbekannte akzeptieren, sich damit weiterentwickeln und die Synergien zwischen menschlicher Intuition und maschineller Intelligenz erkennen. Erfolgreiche Führungskräfte sind in der Lage, ihren Mitarbeiter:innen behutsam dabei zu helfen, sich umzustellen, weiterzubilden und ihren Platz in der neuen Business-Welt zu finden - etwa durch Motivation, Sicherheit, Transparenz und Unterstützung.
Allgegenwärtig: Spezialisierte und orchestrierte KI-Agenten
Noch in 2024 werden zahlreiche KI-Systeme auf den Markt kommen, die agentenbasiert arbeiten. Diese Systeme sind gezielt auf bestimmte Branchen und Bereiche zugeschnitten und konzentrieren sich auf die Ausführung von klar definierten Aufgaben sowie die Rationalisierung von Arbeitsabläufen. Die Welt der spezialisierten KI-Agenten-Systeme wird ein zunehmend spannender Bereich der Anwendungsentwicklung sein: Wir werden vermehrt KI-Agenten sehen, die kritische und spezialisierte Aufgaben ausführen. Dazu gehören die Aktualisierung von CRM-Systemen, die Analyse und Beantwortung von Audioaufnahmen von Kundendienstanrufen, die Aktivierung einer dialogischen Schnittstelle für ein ERP-System, nachhaltiges Landnutzungsmanagement oder die Ergänzung und Verbesserung von Marketing-Budgetentscheidungen.
Generative KI verbessert branchenübergreifend Einkaufsabwicklung und Produktangebotsauswahl
Beispiel Finanzdienstleistungen: Generative KI kann die Prüfung von Bonität und Kreditwürdigkeit von Kund:innen über spezialisierte Institute radikal verkürzen und damit Einkaufserlebnisse auf ein neues Level heben. Kund:innen kommen so schneller an Geld und Geldgeber können Kredite schnell und gesichert vergeben.
Im Einzelhandel ermöglicht KI adaptive Geschäftsarchitekturen, um neue und schnell skalierbare Lösungen anzubieten, die Omni-Commerce, Marketing und Kundenservice intuitiver und personalisierter machen. Kunden erhalten beispielsweise bei der Produktsuche eine personalisierte Auswahl, die persönliche Vorlieben und bevorzugte Stilrichtungen berücksichtigen.
Regulierte Branchen: Betrug einfacher entdecken - für Compliance sorgen
Unternehmen setzen verstärkt darauf, aktuelle Betrugs- und Compliance-Tools mit KI-Techniken zu ergänzen. KI kann Anomalien leichter erkennen - etwa Identifizierung verdächtiger Aktivitäten oder Lücken zwischen neuen Richtlinien und aktuellen Implementierungen - und die "Erklärbarkeit" verbessern - etwa durch Generierung von Dokumentationen, die für Audit-Trails benötigt werden. In der Finanzdienstleistungsbranche hilft generative KI Unternehmen dabei, sich auf verändernde Compliance-Vorgaben einzustellen und potenziell betrügerisches Verhalten besser zu erkennen.
Fazit
Diese KI-Trends zeigen, wie umfassend der Einsatz von generativer KI unsere Business-Welt verändern wird. Viele Bereiche, die heute noch ohne KI auskommen, werden sie zukünftig einsetzen. Die KI kann Menschen von lästigen, administrativen und mechanischen Tätigkeiten entlasten, aber auch hochkomplexe Systeme steuerbar machen. Für Führungskräfte bedeutet das: Sie müssen sich nicht fragen, ob sie KI in einem Bereich sinnvoll einsetzen können, sondern vor allem das Wie ist entscheidend.
Gregor Bieler ist Head of Central Europe bei Cognizant. Er verfügt über umfangreiche internationale Expertise in der wettbewerbsintensiven ITK-Branche. Er war in den vergangenen Jahren als Investor und Vorstandsmitglied bei Unternehmen wie Partners Group, Apavari Software, Journee Technologies und Alterco tätig. Bieler ist Experte für digitale Technologien, insbesondere in den Bereichen SaaS, FinTech und E-Commerce. Er beschäftigt sich zudem mit Strategie, Vertrieb, Betrieb und Marketing. Bevor er seine Tätigkeit als Investor und Vorstandsmitglied aufnahm, konzentrierte sich Bieler hauptsächlich darauf, den kulturellen Wandel und Geschäftstransformationen voranzutreiben. Dies tat er unter anderem bei Microsoft, Unwire Group, Telefónica o2, Paypal und Logitech.
Gregor Bieler ist 54 Jahre alt und wohnt in München.