Exklusivinterview: TD Synnex-Chef Rich Hume über KI, den IT-Handel und Wettbewerber Ingram Micro
Nachdem einige Altlasten beseitigt sind, rechnet der weltgrößte Distributor TD Synnex nach mehreren enttäuschenden Quartalen in diesem Jahr wieder mit steigenden Umsätzen.
Mit seiner Konzentration auf strategische Technologien und stärkere Ökosysteme sieht sich TD Synnex für Wachstum gut aufgestellt. In einem exklusiven Gespräch mit der amerikanischen CRN sagte der CEO Rich Hume unter anderem: "Im Laufe dieses Jahres werden wir stärker und noch stärker werden". Spätestens im übernächsten Quartal will der Distributor dann auch deutlich bessere Ergebnisse als im vergangenen Jahr erzielen.
TD Synnex plant fest mit einer Rückkehr zum Umsatzwachstum und liegt "strategische Prioritäten" in den Bereichen Cloud, Analytik, IoT, KI und Cybersicherheit fest. Ein weiterer Treiber soll der PC-Markt sein, für den Hume mit starker Wiederbelebung rechnet. Zu den "Wachstumszündern" zählt er die Migrationswelle von Windows 10 zu Windows 11. Ab Juli dann, so Hume, würden "KI-PCs abheben".
Insgesamt dürfte 2024 ein gutes Jahr für TD Synnex werden, auch weil der Umsatzrückgang über mehrere Quartale langsam seine Talsohle erreicht, während die Margen, der Bruttogewinn und die Erträge steigen. Die Zukunftszuversicht von Hume scheinen auch die Anleger zu teilen. In den anderthalb Tagen nach der Bekanntgabe des Ergebnisse für das erste Quartal 2024 stieg der Aktienkurs von TD Synnex um acht Prozent.
Im Folgenden finden Sie Auszüge aus dem CRN-Interview mit Rich Hume.
CRN: Im Vergleich zum Vorjahr ist der Umsatz von TD Synnex im ersten Geschäftsquartal 2024 um 8,5 Prozent gesunken. Was ist der Grund dafür?
Hume: Ja, der Umsatz war in der Tat rückläufig, aber er lag im Rahmen unserer Prognosen. Die Covid-Zyklen wirken sich nach wie vor aus, nicht nur auf den Channel, sondern auch bei einem großen Teil der Anbieter aus. Aber es zeichnet sich ab, dass die Backlogs immer kleiner werden.
Wann wird der allgemeine Umsatzrückgang seinen Tiefpunkt erreichen?
Hume: Wir glauben, dass wir im Laufe dieses Jahres ein immer stärkeres Ökosystem von Geschäftspartnern sehen werden. Das hat zum großen Teil damit zu tun, dass wir im letzten Jahr noch einige Teile unseres Portfolios von Anbietern hatten, die Backlogs aufwiesen. Im Laufe dieses Jahres werden wir also stärker und noch stärker werden. Für das nächste Quartal rechnen wir mit einem leichten Wachstum der Bruttoumsatzerlöse. Im übernächsten Quartal sollten wir dann im Jahresvergleich wieder stärkere Ergebnisse erzielen.
Gibt es Bereiche bei TD Synnex, die im letzten Jahr trotz des allgemeinen Umsatzrückgangs Wachstum verzeichnen konnten?
Hume: Unsere strategischen Technologiekategorien - Cloud, Analytik, IoT, KI sowie Cybersicherheit - sind alle gewachsen. Darüber hinaus war das erste Quartal 2024 das erste seit langem, in dem wir in der PC-Kategorie ein kleines Wachstum verzeichnen konnten, wenn auch nur ein marginales. Der Markt wartet auf neue PCs, und daher glaube ich, dass die PC-Kategorie in den nächsten Quartale des Jahres stärker werden wird.
Was ist der Grund für das wahrscheinliche PC-Wachstum?
Hume: Im letzten Jahr gab es in der Branche große Rückgänge bei den PCs, ich glaube, in allen vier Quartalen des Kalenderjahres. Die haben sich nun erledigt. Und darüber hinaus wird es dieses Jahr einige Wachstumsimpulse geben. Einer davon wird eine Aktualisierung des Betriebssystems sein. Ein weiterer wird in der zweiten Jahreshälfte kommen, sagen wir im Juli, mit den Anfängen des KI-PCs. Wir glauben, dass dieser auch ein Katalysator für die Zukunft sein wird.
Warum hat TD Synnex im letzten Quartal trotz allem einen höheren Nettogewinn als Vorjahr erzielt?
Hume: Das Non-GAAP-Einkommen, das wir hauptsächlich messen, ist meiner Erinnerung nach etwas zurückgegangen, und zwar um 4 oder 5 Prozent. Aber das Betriebsergebnis, das GAAP-Einkommen, ist sogar ein wenig gestiegen. Das bedeutet wahrscheinlich, dass einige der Integrations- oder Übergangskosten für den Zusammenschluss zwischen Tech Data und Synnex weggefallen sind.
Welche strategischen Prioritäten haben Sie für das laufende Quartal?
Hume: Während einige der traditionelleren Produkte in den Covid-Anpassungszyklus geraten sind, konnten wir Einiges in den Segmenten auffangen, die als Gruppe ein 'gesünderes' Gewinnmargenprofil haben. Diese strategischen Technologien - Cloud, Analytik, IoT, KI, Cybersicherheit und Hyperscale-Infrastruktur - sind definitiv auch künftig unsere Priorität. Darüber hinaus sehen wir eine Erholung im Kerngeschäft. Wir gehen davon aus, dass das PC-Ökosystem in Zukunft stark sein wird. Und auch die fortschrittlichen Lösungen oder die Infrastrukturtechnologien werden sich in der zweiten Jahreshälfte erholen. Wir haben das Gefühl, dass die Branche gerade an einem Wendepunkt steht. Ich glaube, dass wir die Backlog-Problematik hinter uns lassen können und bis Mitte des Jahres beziehungsweise im dritten und vierten Quartal wieder auf die Beine kommen.
Was unternimmt TD Synnex in diesen priorisierten Bereichen? Gibt es neue Programme?
Hume: Es gibt viele Investitionen, schon die ganze Zeit über. Offensichtlich ist KI eine neu entstehende Kategorie, daher haben wir für KI einige Programme aufgesetzt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Microsoft ist jetzt mit Copilot auf dem Markt. Das ist eine ganz neue Art der Befähigung für die Vertriebspartner, mit denen wir zusammenarbeiten. Darüber hinaus werden die Cloud-Plattformen immer ausgefeilter. Wir investieren also weiterhin in die Verbesserung der allgemeinen Erfahrung von Anbietern und Kunden mit unseren Plattformen. Und dann gibt es immer mehr Investitionen in die strategische Technologiekategorie. Wir sehen das als gute Chance für zukünftiges Geschäft.
Welchen Einfluss werden KI und GenKI Ihrer Meinung nach auf den Vertrieb haben?
Hume: Ich glaube, dass KI sowohl für die IT-Branche als auch für das Ökosystem der Geschäftspartner eine herausragende Chance ist. KI wird sich zunächst als eine Fähigkeit herausstellen, die alle unsere historischen Segmente durchdringen wird. Wir sprechen also über den KI-PC, und wir sollten das in der zweiten Jahreshälfte sehen. Bei der Software werden wir sehen, dass alle Anwendungssuiten, die wir traditionell kennen, KI-fähig werden. Ein gutes Beispiel dafür ist Microsoft Copilot. Wir arbeiten mit denselben grundlegenden Microsoft Office-Produkten, aber sie sind viel intelligenter. Und so können wir daran teilhaben. Außerdem sehen wir allmählich, dass die Infrastruktur KI-fähig wird. Es gibt Möglichkeiten für das Ökosystem der Geschäftspartner, Kunden mit einer KI-fähigen Infrastruktur zu bedienen. Und schließlich haben wir unser Geschäft mit der Hyperscale-Infrastruktur, die sicherlich auch KI-Komponenten enthalten wird, was in unserem Umfeld vielleicht einzigartig ist.
Ich sehe darin eine große Chance für das Ökosystem unserer Geschäftspartner. Ich glaube, dass die Konfigurationen reichhaltiger werden. Das bedeutet, dass der durchschnittliche VK (Verkaufspreis) für einen PC schon allein wegen der enthaltenen Technologie im PC wahrscheinlich steigen wird. Und dasselbe gilt auch für die Infrastruktur und Software. Ich glaube, dass wir eine großartige Ära vor uns haben.
Wie sehen Sie den Zustand der Branche im Hinblick auf den Vertrieb?
Hume: Ich denke, dass der Vertrieb weiterhin eine wichtige Rolle für die Anbieter und das gesamte Ökosystem spielen wird. Wenn eine neue Technologie auf den Markt kommt, wie etwa die künstliche Intelligenz, dann erwarten unsere Anbieter nicht nur, dass wir sie dabei unterstützen, sondern manchmal auch, dass wir ihnen die traditionelle Arbeit abnehmen, damit sie mehr Ressourcen für die neuen Kategorien einsetzen können. Wir sind tatsächlich in der Lage, den Anbietern zu helfen und das gesamte Ökosystem der Geschäftspartner zu unterstützen. Und natürlich sind wir der festen Überzeugung, dass es für uns von großem Vorteil ist, über ein umfassendes Portfolio zu verfügen, wenn wir die Welt von heute und morgen betrachten. Zudem wird unsere globale Präsenz immer wichtiger, vor allem für Anbietern, die sich Cloud-Plattformen anschließen. Sie schätzen die Möglichkeit, ihre Angebote in unsere globale Plattform einzubinden und sie weltweit zu nutzen.
Sprechen wir über den Wettbewerb. Scheinbar will Ihr größter Konkurrent, Ingram Mico, zurück in den Börsenhandel. Wie würde sich so ein IPO auf die Distributionslandschaft auswirken?
Hume: Zunächst einmal haben wir großen Respekt vor Ingram. Wir haben Ingram schon einmal als börsengelistetes Unternehmen gesehen - im Besitz zweier verschiedener Eigentümern. Letzten Endes sind sie ein starker Wettbewerbe. Ich gehe davon aus, dass wir, unabhängig von ihrer zukünftigen Geschäftsform, weiterhin mit ihnen konkurrieren werden, so wie wir es in der Vergangenheit getan haben. Wir haben eine Menge Respekt vor ihnen. Wir werden also wie jeden Tag die Ärmel hochkrempeln, um nicht nur mit Ingram zu konkurrieren, sondern auch mit den anderen Wettbewerbern in unserem Umfeld.
Haben Sie irgendwelche Tipps oder Vorschläge für Ingram Micro, worauf sie achten sollten, wenn sie wieder an die Börse gehen?
Hume: Viele Mitarbeiter von Ingram waren schon dabei, als das Unternehmen das erste Mal an die Börse ging. Ich bin mir sicher, dass sie ihre Augen weit offen haben halten. Paul Bay [der CEO von Ingram Micro] führt einen guten Laden.