Acer CEO: Unsere Branche braucht einen einheitlicheren Ansatz für Nachhaltigkeit

In einem exklusiven Gespräch mit CRN UK erläuterte Jason Chen Acers Ziel, bis 2035 zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu arbeiten. Hierbei stehen recycelte Materialien, grüne Energie sowie weltweite Tech-Unterstützung und Zusammenarbeit im Vordergrund.

Acer CEO: Unsere Branche braucht einen einheitlicheren Ansatz für Nachhaltigkeit

MIt Chen sprach CRN auf der BETT-Messe in London, wo Acer seine neuen Produkte für den Education Markt vorstellte, wie etwa Laptops und Desktops aus recycelten Materialien:

CRN: Können Sie uns einen Einblick in Acers Nachhaltigkeitsstrategie geben?

Jason Chen: Bis 2035 wollen wir 100 Prozent erneuerbare Energien nutzen - im Moment sind wir bei etwa 50 Prozent. Ich spreche dabei von all unseren Tochtergesellschaften und über mehr als 200 Standorte weltweit, also über eine große Verpflichtung. Aber arbeiten sehr entschlossen auf dieses Ziel zu: Bis 2050 werden wir den Netto-Nullpunkt erreicht haben und auf dem Weg dahin werden wir jedes Jahr Fortschritte machen.

Das tun wir auf drei Arten. Erstens setzen wir auf recycelbare Materialien. Wir bringen neue Produktlinien auf Grundlage recycelter Materialien auf den Markt. Hierbei kommt auch Plastikmüll aus dem Meer ins Spiel. Wir engagieren uns sehr für Maßnahmen und Projekte in diesem Bereich und die gesamte Branche sollten das Gleiche tun. Warum auch nicht, wenn PC-Recycling funktioniert? Wenn Kunststoffe aus dem Meer für unsere Chassis und andere Produktteile funktionieren, warum soll das bei anderen Anbietern anders sein?

Die zweite Ebene nenne ich Investition in intelligente Lösungen. Also intelligente Städte, intelligente Beleuchtung, intelligente Parkplätze und intelligente Medizin. Die Investition in solche Lösungen wird dazu beitragen, den Kohlenstoffausstoß zu verringern, Energie zu sparen und die Produktivität zu steigern. Alle diese intelligenten Lösungen werden unserer Meinung nach sehr wichtig werden.

Schließlich dringen wir immer tiefer in kritische Bereiche der Energie vor. Wenn die ESG zur Belastung für ein Unternehmen werden, spricht man gern von einer "grünen Steuer" oder von zusätzlichen Kosten für die Umsetzung der ESG. Wir aber überlegen, wie wir ESG zu einer Geschäftsmöglichkeit machen können, damit die Unternehmen nachhaltig werden. Nachhaltig für unseren Planeten, aber auch für unsere Bemühungen. Wenn uns das gelingt, wird das Ganze zu einem positiven Kreislauf.

Was wir bisher getan haben: Wir haben in ein Batterieunternehmen investiert, sind dann selbst in die Entwicklung von Batteriepacks eingestiegen und haben außerdem begonnen, Mobilitätslösungen wie E-Scooter und E-Bikes zu entwickeln. Dann haben wir ins Geschäft mit Kraftwerken im Containerformat investiert, die Kapazitäten von über hundert Megawatt haben können und so für den Haugebrauch ebenso geeignet sind wie für industrielle Zwecke. Unsere Speichersysteme ergänzen die Initiativen für grüne Energie. Denn braucht ein Speichersystem, damit die Gewinnung grüner Energie aus Wind und Sonne keine Energieverschwendung wird.

Wir glauben, dass all das die richtige Richtung geht. Aber das ist nur der Anfang, denn unsere Bemühungen gehen weiter.

Auf welche technischen Errungenschaften sind Sie stolz?

Auf alles, was ich oben erwähnt habe, aber wenn ich einen Bereich nennen soll, auf den ich besonders stolz bin, muss ich über „AI medical" sprechen, die KI-basierten medizinischen Bilddiagnose-Lösungen, die wir entwickelt haben. Vor kurzem haben wir eine Lösung auf den Markt gebracht, mit der die Knochendichte anhand eines Röntgenbildes gemessen werden kann.

Früher brauchte man dafür andere Geräte. Aber wir haben ein KI-Modell trainiert, das in der Lage ist, die Knochendichte anhand einer Röntgenaufnahme der Brust zu bestimmen. In Krankenhäusern funktioniert das bereits genauso gut wie mit teureren medizinischen Geräten, bewährt sich in der Diagnostik und wird immer beliebter.

Darauf sind wir alle sehr stolz. Vor 20/30 Jahren sprach man davon, dass wir Technologieunternehmen dazu da sind, die digitale Kluft zu überbrücken. Jetzt sind wir hier, um die medizinische Kluft zu überbrücken - damit die Menschen in Afrika und den Schwellenländern den gleichen Zugang zu medizinischer Technologie haben wie in London und den Industrieländern. Mit KI können wir die Lösungen vorantreiben, die es den weniger begünstigten Gesellschaften ermöglichen, das gleiche Maß an medizinischer Versorgung bekommen. Das berührt mich persönlich sehr. Da es sich bei unserer Lösung um eine Software handelt, ist sie nicht so teuer. Also können wir sie verbreiten und überall verfügbar machen.

Wie arbeitet Acer mit den Vertriebskanälen zusammen, und wie sieht es dabei mit dem Thema Nachhaltigkeit aus?

Wir arbeiten mit Vertriebspartnern zusammen, um unser Geschäft auszubauen, egal ob es Distributoren, Lösungsanbieter oder Einzelhändler sind. Wir arbeiten daran, sie in die verschiedenen Programme einzubinden, die es bei uns schon seit Jahren gibt.

Wir wollen unsere Nachhaltigkeits-Vision noch stärker auf die Entwicklung neuer Geschäfte beziehungsweise auf ESG-Initiativen ausrichten. Dabei geht es nicht nur um den Channel sondern um unsere gesamte Lieferkette. Wir fordern von den Lieferanten , dass sie ihren CO2-Ausstoß offenlegen. Andernfalls werden wir nicht mehr bei ihnen kaufen. Wir beabsichtigen, dies auch auf unsere vor- und nachgelagerten Vertriebskanäle auszudehnen. Die Menschen müssen das Gleiche tun. Es ist richtig, das zu tun. Denn nur wenn man weiß, wo man steht, weiß man, wie man sich verbessern kann.

Wie arbeitet Acer mit seinen Lieferanten, um die Schadstoff-Emissionen in der globalen Lieferkette zu reduzieren?

Als erstes haben wir sie aufgefordert, ihren eigenen CO2-Fußabdruck zu deklarieren, aber den kennt noch nicht jeder. Wir fragen sie, ob sie zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden, aber dazu haben sich bisher noch nicht viele Lieferanten verpflichtet. Wir fragen sie "Was ist mit dem Transport - können Sie Bio- oder nachhaltige Kraftstoffe verwenden?" Und wir sind stolz darauf, dass wir der einzige Anbieter in der PC-Branche sind, der das tut. Ja, die Kosten werden höher sein, aber das werden wir ausgleichen.

Wenn es uns gelingt, ESG zu einem echten Geschäft zu machen, können wir die Mehrkosten neutralisieren, anstatt sie auf unsere Vertriebskanäle und Verbraucher abzuwälzen. Um das zu verwirklichen, sollten wir alle zusammenarbeiten. Wenn das funktioniert, und ich glaube, dass es funktionieren kann, dann wird ESG zur Wertschöpfung sein - und die so genannte grüne Steuer beziehungsweise die zusätzlichen ESG-Kosten wird Menschen nicht sonderlich stören.

Wenn wir, unsere Vertriebskanäle, unsere Zulieferer, wenn jeder darüber nachdenkt und sich wie ich fragt, "Wo können wir sonst noch Werte schöpfen? Wie können wir die Kosten neutralisieren", dann können wir ESG als Geschäftschance sehen, mit der sich Geld machen lässt.

Arbeitet die Branche eng genug zusammen, um den Klimawandel zu bekämpfen?

Ehrlich gesagt, nein, nicht genug. Zwar hat jedes große Unternehmen eine Initiative dazu, aber jedes hat seine eigene. Es gibt keine Einheitlichkeit und ich wünschte, es gäbe mehr gemeinsame Anstrengungen, damit wir alle in dieselbe Richtung gehen können, anstatt dass jeder etwas anderes macht. Die kleineren und mittleren Unternehmen rätseln immer noch, was sie tun und wohin sie gehen sollen - hier können wir als Anbieter die Führung übernehmen. Meinungsführer wie CRN und ein Markenanbieter wie wir haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen verstehen, dass und wie sie zusammenarbeiten können. Wie können wir die zusätzlichen Kosten von ESG neutralisieren und sie zu einem Geschäft machen? Ich denke, wir sollten uns dafür einsetzen, dass ESG zu einer echten Geschäftsmöglichkeit wird - das wird für alle unsere Unternehmen und den Planeten von Vorteil sein.

Was steht für Acer in den kommenden 12 Monaten an?

Erstens werden wir unsere ESG-Bemühungen konsequent und beharrlich fortführen. Es geht darum, ESG zu einer Geschäftschance zu machen. Sobald die Leute sehen, dass es sich um eine Geschäftschance handelt, dann spricht das Geld.

Zweitens ist da die KI sprechen. KI ist eine große Sache und eine Welle, die wir sehr gerne reiten wollen. Wir sind der Überzeugung, dass es sich hierbei um eine echte Entwicklung handelt und nicht so etwas wie das Metaverse oder Kryptowährungen. Generative KI ist ganz real. Heute nutzen die Leute ihre Computer hauptsächlich zur Suche, mit neueren Modellen aber fragen Sie den Computer, und er kann Ihnen mithilfe generativer KI sagen, was Sie brauchen.

Wir haben eine Tochtergesellschaft, die Beschleuniger für GenAi herstellt. Sie läuft sehr gut, und wir haben Dutzende von Unternehmenskunden mit einem Proof of Concept, von denen etliche demnächst in die Produktion gehen wollen. Das freut uns sehr, denn möchten, dass mehr KI-basierte Lösungen zum Einsatz kommen - sei es im medizinischen Bereich, im öffentlichen Sektor oder beispielsweise im Bildungswesen. Es gibt viele Bereiche, in denen wir in der Lage sein werden, die Branche zu begeistern und einen Mehrwert für unsere Kunden und Partner zu schaffen.

Sie haben einmal gesagt, dass Acer der "letzte aufrechtstehende Mann" im PC-Bereich" sein würde. Sehen Sie das immer noch so?

Wir werden uns weiterhin auf unser Computergeschäft konzentrieren - das sehr ausgereift ist und seit über 40 Jahren besteht - aber wir freuen uns auf die neuen Nutzungsmodelle, die in den nächsten Jahren kommen werden, weil sich das Geschäftsmodell ändert und das die Nachfrage stimulieren wird.

Wir nutzen unser Kerngeschäft, um neue Unternehmen und Technologien zu gründen. In den letzten sechs Jahren haben wir 12 Tochtergesellschaften an die Börse gebracht. In der Pipeline haben wir weitere fünf bis zehn. In näherer Zukunft werden wir jedes Jahr zwei bis drei Börsengänge durchführen. Wir würden uns freuen, wenn sich das fortsetzen würde, weil wir so damit einen Mehrwert für unsere Aktionäre schaffen und Karrierechancen eröffnen. Wir haben in den letzten Jahren 12 CEO-, 12 CFO- und 12 CIO-Stellen und viele weitere geschaffen. Um hier CEO zu werden, man muss mich jetzt nicht mehr umbringen, denn bei uns gibt es inzwischen Dutzende von CEO-Stellen! Wir sind der festen Überzeugung, dass die Mitarbeiterbindung nur dann gut ist, wenn ein Unternehmen eine Zukunft hat und wenn die Mitarbeiter eine berufliche Zukunft in diesem Unternehmen vorstellen können.