"Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen!"

Beim Primepulse-Chef und Ex-Cancom-CEO Klaus Weinmann liegen die Nerven blank. Oder doch nicht, weil sein öffentlicher Angriff auf Computacenter-CEO Mike Norris wohl kalkuliert war? CRN über die Hintergründe eines scharfen Stechens und Hauens börsennotierter Systemhausriesen.

Klaus Weinmann (re.), Ex-Cancom-CEO, greift Computacenter-CEO Mike Norris scharf an.

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Klaus Weinmann (re.), Ex-Cancom-CEO, greift Computacenter-CEO Mike Norris scharf an.

Cancom-Gründer und langjähriger CEO Klaus Weinmann ist bekannt für seine erfrischend offenen, manche sagen zu offenen Äußerungen. Mit seinen jüngsten Statements sorgt der Chef der Beteiligungsgesellschaft Primepulse, die an Cancom rund 5 Prozent hält, jedenfalls für genügend Aufregung. Dieses Mal beim Wettbewerber Computacenter. Weinmann setzte bei Linkedin einen Post ab, der in analogen Zeiten Offener Brief hieß.

Adressat: Der Computacenter-CEO. "Das ist eine Einladung an Mike Norris von Computacenter. Wir müssen reden!"

Weinmann wirft Norris vor, gegenüber Analysten geäußert zu haben, dass Cancom und auch SVA Kunden an Computacenter verlieren würden und dass sich Cancom selbst zerstöre. Dies habe Weinmann "aus zuverlässiger Quelle" erfahren. Und er verlinkt auf einen Pressebericht. Darin findet sich indes kein Wort über Wettbewerber. Es geht vielmehr um eine Diskussion vom vergangenen Oktober auf dem Channel-Event Canalys, auf der Norris scharfe Kritik gegen "As-a-Service-Modelle" bezogen hatte.

Norris, wie Weinmann auch nicht gerade der geborene Diplomat hatte gesagt: "As a Microsoft shareholder, as-a-service is brilliant. As a vendor, as-a-service is brilliant. As a channel partner, as-a-service is pretty good. For a corporate customer, I think it's sh**," zitiert ihn Channel Futures.

Weinmann Post vermischt also zwei Themen: Norris' Kritik an Managed Services und ähnlichen Subskriptionsmodellen, auf die Cancom, Bechtle und viele Systemhäuser im deutschen Markt setzen. Und eben seine Kritik an Cancom, die Norris vor Analysten geäußert haben soll, die in besagtem Artikel vom Oktober 2022 keine Erwähnung findet.

In der Tat: blickt man auf die jüngsten Geschäftsberichte der drei IT-Dienstleister, dann wächst Computacenter bei Managed Services mit rund 5 Prozent bescheiden und deutlich schwächer als der Wettbewerb. Bekannt ist, dass die britische Computacenter in Deutschland, wo auch ein Großteil der Gewinne geschrieben werden, den gehobenen Mittelstand und große Behörden zu seinen Kunden zählt. Während bei Cancom, SVA und Bechtle der Mittelstand schon ab 10 oder 20 PC-Arbeitsplätzen beginnt und das As-a-Service-Geschäftsmodell eine tragende Säule ist.

An der Börse schwächelt Cancom

Dann folgt Weinmanns Kurzanalyse und Einladung an Mike Norris: "Ich freue mich darauf, Ihnen bald zu zeigen, warum man den deutschen #Mittelstand niemals unterschätzen sollte. Sie haben in Bezug auf den Aktienkurs von #ComputaCenter gute Arbeit geleistet, aber vielleicht ist die beste Absicherung im Markt eine große Wette auf #Deutschland, indem Sie Short in #ComputaCenter und Long in #CANCOM und #Bechtle gehen."

Norris ließ Weinmanns Linkedin-Beitrag nicht lange unkommentiert. Noch am selben Tag entgegnete er Weinmann: "Tut mir leid, wenn ich Sie verärgert habe. Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen! Ich betreibe CC seit 28 Jahren und habe noch nie einen Wettbewerber, ob groß oder klein, in der Öffentlichkeit schlecht gemacht. Warum sollte ich jetzt damit anfangen?" Weinmann sollte nicht zögern, Norris "jederzeit zu kontaktieren". Mittlerweile soll ein Gespräch der beiden Top-Manager vereinbart worden sein.

Seite 2: Was Ex-Cancom-CEO Weinmann vorhat

"Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen!"

Beim Primepulse-Chef und Ex-Cancom-CEO Klaus Weinmann liegen die Nerven blank. Oder doch nicht, weil sein öffentlicher Angriff auf Computacenter-CEO Mike Norris wohl kalkuliert war? CRN über die Hintergründe eines scharfen Stechens und Hauens börsennotierter Systemhausriesen.

Was hinter Weinmanns offener Kritik steckt

Hat Weinmann mit seiner Kritik an Computacenter den Bogen überspannt? Wohl kaum. Denn selbstverständlich kommentieren CEOs Wettbewerber, reden sie bisweilen schlecht, mokieren sich über deren Strategien und Auftritte. Man kann das auf offener Bühne jeder Partnerkonferenz eines US-Herstellers hören oder, weniger öffentlich, aber freilich mit Hintergedanken, im Hintergrundgespräch mit Fachjournalisten. Ein Hauen und Stechen im Channel hat es schon immer gegeben, und auch wenn die PR einem CEO ins Handbuch schreibt, sich nicht zu Wettbewerbern zu äußern, tun sie es dennoch. Kaliber wie Klaus Weinmann sowieso. Doch warum gerade jetzt?

Ein Vergleich der Aktienkurse: Während die Papiere von Computacenter und Bechtle im September ein 12-Monatshoch erreichten, treten die Aktien von Cancom auf der Stelle. Von ihrem 12-Monatshoch im März bis Stand Montag dieser Woche büßten sie rund 27 Prozent ein. Die Börse reagierte mit Abschlägen auf die kürzlich ausgesprochene Umsatzwarnung vom Cancom-Vorstand.

Hat Cancom-Investor Weinmann angesichts sinkender Marktkapitalisierung des Systemhauses also die Nerven verloren? Auch das eher nicht. Denn noch kann Weinmann, der kein Mandat bei Cancom hat, öffentlich frei kritisieren und spekulieren. Ob der damit Cancom-CEO Rüdiger Rath einen Gefallen tut, ist freilich eine andere Sache.

Das mit dem Mandat könnte sich aber bald erledigt haben. Denn diese Woche ende für Ex-Cancom-Chef Weinmann die so genannte "Cool down"-Periode, wonach ein Vorstand in den Aufsichtsrat wechseln darf, wie Weinmann gegenüber CRN bestätigte.