"Wir haben das Angebot für eine Exklusivdistribution abgelehnt"

Einige Finanzinvestoren haben ein neues Spielfeld entdeckt: Sie bieten exklusive Vertriebsrechte eines Herstellers an, der Distributor soll sie kaufen und vorab viel Geld hinlegen. Turbokapitalismus, der bis auf einen alle im Channelvertrieb Beteiligten als Verlierer dastehen lassen könnte.

Zieht künftig der Turbokapitalismus verstärkt auch in den Channelvertrieb ein? Firma übernehmen, das Management zum Kurswechsel drängen oder gleich feuern, Assets filetieren und an den Meistbietenden verkaufen: so kennt man das von aktivistischen Hedgefonds, die von börsennotierten Firmen gefürchtet werden. Ihre aggressiven Methoden kennen nur ein Ziel: schnell eine hohe Rendite zu erwirtschaften. Was der Chef eines Distributors im Hintergrundgespräch CRN berichtet, erinnert an das Gebaren solcher Hedgefonds.

Er habe von einem Softwarehersteller, der über Vertriebspartner seine Lösungen verkauft, das Angebot erhalten, die exklusiven Distributionsrechte zu zeichnen. Nicht etwa, weil sein Distributionsunternehmen ideal aufgestellt wäre für den weiteren Ausbau der Geschäfte. Das ist es zwar. Doch um gemeinsames und nachhaltiges Wachstum ging es dem Hersteller offenbar gar nicht, besser gesagt: seinem Investor. Der Distributor sollte für den Deal einen Millionenbetrag auf den Tisch legen, also in Vorleistung gehen für Übernahme des exklusiven Channelvertriebs.

"Wir haben das Angebot für eine Exklusivdistribution abgelehnt", sagte der CEO. Sie passe überhaupt nicht zum Selbstverständnis, wie er als Distributor seit vielen Jahren mit seinen Herstellern gemeinsam einen Markt aufbaut und eine wachsende Zahl von Partnern über die Jahre für die Herstellerlösungen gewinnt.

Der ein oder andere Hersteller mag seine Vertriebsstrategie ändern, richtet sich im Portfolio neu aus und setzt im Go-to-Market vielleicht andere Prioritäten als früher. "Das kennen wir und wir können darauf reagieren, zum Beispiel alternative neue Hersteller für uns gewinnen", sagt der Distributionschef. Vertrieb über konkurrierende Distributoren ist allerdings die Regel im Channel, Exklusivdistribution die Ausnahme.

Und das aus gutem Grund. Es gibt für Hersteller nicht den einen homogenen Zielmarkt, genauso wenig sind die von den Distributoren angebotenen Leistungen identisch. Ein regional agierender VAD legt den Schwerpunkt auf Partner-Enablement, ein anderer Distributor ist mit seiner Logistik in der Lage, größere Projekte der Partner bestens auszurollen, während ein finanzstarker Broadliner mit seinen Finanzierungsoptionen Partnern unter die Arme greifen kann. Die Vielfalt des Leistungsspektrums der Distribution, über Jahre gewachsen und stetig weiter ausgebaut, ist für Hersteller von großem Vorteil. Exklusivdistribution schränkt diese Auswahl ein.

Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, sorgt dafür, dass sich Distributionspartner nicht auf der Exklusivität ausruhen können. Partner wiederum haben die Auswahl: welcher Distributor unterstützt seine Bedürfnisse am besten? Wer bildet das beste Preis-/Leistungsangebot ab? Welche Tools, welche Marketplaces sind für Bestellung, Abrechnung, Verwaltung die besten? Wo zeigt ein Presales-oder technischer Berater im Projektgeschäft besonders hohes Engagement? Kommt bei der Beschaffung nur ein Distributor in Frage, fehlen Vergleichs- und Wahlmöglichkeiten.

Wo es keine Konkurrenz gibt, gibt es womöglich auch keinen Markt, heißt es, wenn Hersteller ihre Produkte konkurrenzlos anpreisen. Gilt dieser Satz in Zukunft auch für etablierte IT-Vendoren, wenn das "Konzept" des exklusiven Channelvertrieb Nachahmer finden sollte?

Noch haben Hersteller, die sich mit einer Exklusivdistribution anfreunden könnten, eine starke Position im Markt. Sonst hätte besagter Softwarehersteller unserem Distributions-Chef nicht eine solche Offerte unterbreitet.

Der jedenfalls winkt ab, glaubt nicht an eine langfristige Tragfähigkeit eines solchen Deals und sieht für sein Distributionsunternehmen mehr Risiken als Chancen. Profitieren würde vor allem der Investor, der eine schnelle Refinanzierung des übernommenen Softwareherstellers und hohe Renditen im Auge hat.

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