Über 230.000 Unternehmer erwägen Geschäftsaufgabe noch in diesem Jahr
2025 könnte es in Deutschland zu einem gewaltigen Aderlass bei der Zahl der Unternehmen kommen: 231.000 Geschäftsinhaber finden keine Nachfolge und planen, ihre Firma aufzugeben. In den kommenden Jahren werden es noch einmal über 300.000 Unternehmen sein, die aufgeben. Die Überalterung der Unternehmerschaft ist das größte Problem.
Die Überalterung der deutschen Gesellschaft wird in den kommenden Jahren den jetzt schon hohen Fachkräftemangel verschärfen. Ironischerweise könnte sich aber das demografische Problem noch in diesem Jahrzehnt entspannen, wenn zutrifft, was KfW Research in einer aktuellen Umfrage ermittelt hat: es wird hierzulande signifikant weniger Unternehmen geben, mit der durchaus positiven Folge für den Arbeitsmarkt, dass sich durch Geschäftsaufgaben Mitarbeitende einen neuen Arbeitgeber suchen müssen. Die Zahl der von Geschäftsaufgaben bedrohten Firmen war noch nie höher als aktuell.
Die Forscher der staatlichen Bankengruppe KfW haben ermittelt, dass in diesem Jahr 231.000 Inhabende von mittelständischen Unternehmen ihren Rückzug aus der Firma planen und mangels Nachfolge ihre Betriebe im schlimmsten Fall stilllegen würden. Das seien 67.500 mehr als noch vor ein Jahr, so KfW.
In drei bis fünf Jahren könnten dann noch einmal rund 310.000 Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereits wissen, dass sie aus ihrer Firma ausscheiden, die Schließung ihres Betriebs in Betracht ziehen. 541.000 Firmen weniger als laut KfW aktuell 3,84 Mio. mittelständische Unternehmen wäre ein Minus von rund 14 Prozent.
"Die aktuelle Senior-Generation zog noch nie so häufig wie zuletzt eine Geschäftsaufgabe nach dem eigenen Rückzug in Erwägung. Bei Fragen des Fortbestands wird sich weitaus häufiger als zuvor für eine Stilllegung entschieden. Das nahende Rentenalter des Inhabers springt dabei – mit deutlichem Vorsprung – an Nummer 1 der Stilllegungsgründe", sagt KfW-Studienleiter Michael Schwartz. Die Sonderauswertung im Rahmen des KfW-Mittelstandspanels wurde zwischen Mitte Februar und Mitte Juni 2024 erhoben.
Niemals zuvor seit Start des Nachfolge-Monitorings von KfW Research hätten so viele mittelständische Unternehmen die Aufgabe ihres Betriebs in Erwägung gezogen. Demgegenüber streben 532.000 der insgesamt 3,84 Mio. mittelständischen Unternehmen in Deutschland bis Ende 2028 die Übergabe an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin an. Damit halten sich die angestrebten Nachfolgen und die geplanten oder für möglich gehaltenen Stilllegungen bis Ende 2028 in etwa die Waage.
Hauptgrund für die Pläne zur Stilllegung sei laut KfW sehr oft das Alter. Das Durchschnittsalter der mittelständischen Unternehmerschaft liege bei 54 Jahren. 39 Prozent der Unternehmerschaft ist sogar 60 Jahre oder älter – in der deutschen Gesamtbevölkerung sind das nur rund 30 Prozent, so die KfW-Studie. Die demografische Entwicklung bei den Inhaberinnen und Inhabern im Mittelstand schreitet noch schneller voran als in der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Es zeichnen sich massive Lücken in den Führungsetagen mittelständischer Unternehmen ab", so Schwartz, Mittelstandsexperte bei KfW Research.
Nachfolge auf die lange Bank geschoben
215.000 Unternehmerinnen und Unternehmer haben laut KfW kurzfristige Nachfolgepläne bis Ende 2025. Si seien im Durchschnitt 65,4 Jahre alt. Viele von ihnen hätten allerdings noch nicht mit einer Nachfolgesuche begonnen oder seien erst in einem sehr frühen Stadium. "Für einige dürfte die Zeit daher zu knapp werden. Es ist davon auszugehen, dass etwa 43.000 Unternehmen ihren Wunsch nach einer kurzfristigen Nachfolgeregelung aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr umsetzen können", schreibt KfW.
Der Engpass bei der Unternehmensnachfolge: eine zu gering besetzte nachrückende Gründergeneration. Nur wenige Personen zeigten Interesse daran, auf bereits bestehende Unternehmensstrukturen zurückzugreifen. Gegenwärtig gäbe es laut KfW jährlich weniger als halb so viele Übernahmegründungen wie Unternehmen mit Nachfolgebestrebungen im Mittelstand. "Die Problematik der fehlenden Unternehmensnachfolgen im Mittelstand wird sich absehbar verschärfen. Wir benötigen in Deutschland nachhaltig mehr Gründungsbereitschaft. Eine unternehmerische Tätigkeit oder der Karrierepfad in der Leitung eines mittelständischen Unternehmens muss eine selbstverständliche Alternative zum Angestelltenverhältnis sein", sagt Schwartz.
"Selbstständigkeit muss sichtbarer werden. Dazu gehören beispielsweise Ansätze, bereits in Schulen ein unternehmerisches Mindset zu vermitteln. Auch sollte bei Berufsberatungen der Blick geweitet werden", so der KfW-Experte.
Die Ergebnisse des Nachfolge-Monitors sind abrufbar unter www.kfw.de/fokus