TCC-Umfrage: Wie der Channel auf die US-Zollpolitik reagiert
"Wir sehen betroffen alle Fragen offen", könnte man mit Brecht die aktuelle Unsicherheit im Channel beschreiben. Die US-Zollpolitik birgt unberechenbare Risiken, aber auch Chancen, über die der Geschäftsführer eines IT-Dienstleisters aus Deutschland berichtet.
Im von der US-Regierung losgetretenen Streit um Zölle und Gegenzölle ist eine seriöse Planung des IT-Geschäfts länger als über ein, zwei Quartale hinweg eigentlich nicht möglich. Die allgemeine Unsicherheit aufgrund der Unberechenbarkeit der US-Regierung spiegelt sich in der Meinungsbildung des Channels wider.
Partner berichten den Branchenanalysten von IPED-Consulting, eine Abteilung von "The Channel Company" (TCC), zu der auch CRN gehört, erste Reaktionen auf die US-Zölle. Rund 60 Partner, Distributoren und Hersteller weltweit haben sich an einer Blitzumfrage von IPED beteiligt, aus der sich ein Stimmungsbild zu den Auswirkungen des Zollprotektionismus im Channel zeichnen lässt. Die Umfrage fand zwischen dem 9. und 11. April 2025 statt.
Die ersten zwei von fünf Untersuchungsbereiche (Preise, Nachfrage sowie Auswirkungen auf die IT-Budgets der Anwenderkunden) haben wir diese Woche Donnerstag veröffentlicht. Hier nur die Stimmen aus dem Channel zu Investitionspläne der IT-Anbieter, Maßnahmen zur Krisenbewältigung, sowie zum kurz- bis langfristigen Ausblick.
Vorsichtiges Investitionsverhalten – warten, wie Q2 wird
Ein US-amerikanischer IT-Dienstleister (Umsatz 50 bis 100 Mio. Dollar) berichtet von einem "Monster Q1", man habe in diesem ersten Quartal 2025 "stark in Mitarbeiter und Ausrüstung für Labore investiert". Die US-Zollpolitik habe "keine Auswirkungen" auf die Wachstums- und Investitionspläne seines Hauses. "Keine Auswirkungen" antwortet auch ein kleinerer US-Dienstleister (5 bis 10 Mio. Dollar): "Unsere Muttergesellschaft schreckt nicht vor der Investition zurück".
[Mehr zum Thema: TCC-Analysten zu US-Zöllen, Preisentwicklung und Auswirkungen auf IT-Budgets]
"Wir neigen dazu, langfristig zu denken, nicht kurzfristig, also erwarten wir nicht, dass die Investitionen der nächsten 6 Monate beeinflusst werden (v.a. Einstellung von Mitarbeitern). Die Expansion in den US-Büros in Atlanta und Florida) wird sich verzögern", so ein Service-Provider mit einem Umsatz von 100 bis 500 Mio. Dollar.
"Wir [erwarten] ein massives Wachstum für das Jahr, massive Investitionen in den Personalbestand. Den Großteil der Mitarbeiter, die in unserem Wachstumsplan vorgesehen waren, wurden im ersten Quartal eingestellt", so ein sehr optimistisch gestimmter IT-Dienstleister aus den USA (Umsatz: 50 bi 100 Mio. Dollar).
Ein Hersteller von IT-Security geht davon aus, dass Investitionen eher in andere Bereiche fließen: "Jegliche Investition wird wahrscheinlich zur Unterstützung längerer Verkaufszyklen in den Vertrieb und in Lagerbestände erfolgen". Ein auf Datacenter spezialisierter Partner kommentiert: "Die Leute beobachten die Pipeline genau, um zu sehen, ob sich die Dinge verschieben".
Ein Softwarehersteller sieht sogar eine Beschleunigung der Investitionen vor allem in den Channel, die aber nichts mit der aktuellen Zollpolitik der US-Regierung zu tun hat. "Die ganze KI-Bewegung und das Tempo der Veränderungen, die sie hervorgebracht hat, hat unsere Investitionen in den Channel beschleunigt. Das wird sich [durch die US-Zölle] nicht ändern"
Fazit der Branchenanalysten von The Channel Company (TCC) zum Investitionsverhalten bei IT-Dienstleistern/MSPs:
- Es wird vorsichtig investiert, die Wachstumserwartungen für das 1. Halbjahr 2025 gesenkt
- Viele haben in der Erwartung eines Wachstums im Jahr 2025 investiert, sind sich aber nicht sicher, wie sie weiter vorgehen sollen
- Viele halten die Ausgaben konstant, bis Klarheit herrscht
Die befragten Hersteller sehen mehrheitlich noch keine Auswirkungen der US-Zollpolitik auf ihr Investitionsverhalten. Sie bewerten die Situation noch. Viele gaben an, dass die Investitionen für das erste Halbjahr bereits getätigt worden und noch keine Kürzungen geplant seien. Das zweite Quartal wird den weiteren Weg für das zweite Halbjahr 2025 bestimmen.
Geschäftsführer eines Systemhauses aus Deutschland: "sehen die Krise als eine große Chance für die Unabhängigkeit [digitale Souveränität]"
Die TCC-Analysten wollten wissen, ob IT-Unternehmen spezifische Maßnahmen ergriffen haben oder dies tun wollen, um Auswirkungen der neue Zollpolitik der USA auf ihr Geschäft zu begegnen. Wenig erstaunlich, dass auch hier die Antworten von einer großen Unsicherheit zeugen, weil die US-Regierung keine Klarheit und Planbarkeit zulässt. "Es ist sehr schwer, Maßnahmen zu ergreifen, bis sich die Lage beruhigt hat", so ein US-Systemhaus.
Das Marktforschungsunternehmen IDC hat wenige Tage nach der Bekanntgabe der Zollpläne von Trump seine traditionelle PC-Prognose für 2025 und darüber hinaus gesenkt, was auf die US-Zölle gegen China und die sich abschwächende Marktstimmung zurückzuführen ist.
Die sich verändernde geopolitische Konstellation merken einige Partner außerhalb der USA vor allem in der Diskussion mit ihren Kunden über Infrastrukturprojekte. Der Geschäftsführer eines Systemhauses aus Deutschland: "Wir haben bereits eine Reihe von Projekten im Zusammenhang mit der digitalen Souveränität gestartet und sehen die Krise als eine große Chance für die Unabhängigkeit". Er führe "intensive Gespräche" mit Herstellern, "da sie als globale Zulieferer die Erschütterungen zuerst spüren". Das CRN bekannte Systemhaus ist vor allem Partner von Microsoft und Dell.
Ein auf Systemintegration und Software spezialisierter IT-Dienstleister (Umsatz 100 Mio. Dollar) will sich mit dem Thema Effizienz bei Kunden stärker profilieren: "Wir beschleunigen unseren Schritt hin zu einer vertikalen Ausrichtung, weil wir die Möglichkeit sehen, Unternehmen effizienter zu machen".
Überhaupt scheint jetzt der ideale Zeitpunkt, um sich eng mit Kunden auszutauschen. "Wir sehen dies als eine Gelegenheit, mit Kunden intensive Gespräche darüber zu führen, wie wir ihnen helfen können", berichtet ein MSP aus den USA (100 bis 500 Mio. Dollar Umsatz).
"Schalten Sie nicht auf Panik, sondern seien Sie klug und stellen Sie fundierte Vermutungen an", wendet sich D&H Co-Präsident Dan Schwab an den verunsicherten Channel.
Fazit der TCC-Analysten aus den Stimmen der Partner
- Die meisten Lösungsanbieter sammeln Informationen (sie wollen nicht auf etwas überreagieren, das sich morgen ändern könnte)
- Sie bleiben sehr, sehr nahe bei ihren Kunden, um die Auswirkungen zu verstehen
- Partner arbeiten aktiv mit dem Vertrieb/OEM zusammen, um die Auswirkungen zu antizipieren und Transparenz zu schaffen
Wie Hersteller reagieren
- Sehr darauf bedacht, die Preisgestaltung der Vertriebskanäle oder die Lagerhaltung nicht zu sehr zu verändern
- Sie sind sich der Auswirkungen auf die MSP-Geschäftsmodelle mit bedeutenden wiederkehrenden Umsatzverträgen bewusst
- Einige befürchten, dass sich die US-Zollpolitik auf bedeutende KI-bezogene Pipelines negativ auswirken wird, andere rechnen mit Wachstum
Aktuell keine seriöse Einschätzung und Antworten möglich
So sehr sich alle im Channel nach Klarheit und Berechenbarkeit sehnen, eine Orientierung fällt schwer. Wie ist Ihre allgemeine Sichtweise auf die Auswirkungen auf Ihr Geschäft? Wie sehen Sie die kurzfristige, wie die langfristige Entwicklung? Die Fragen versuchten rund 60 Systemhäuser und Distributoren in der TCC-Blitzumfrage unmittelbar nach Bekanntgabe der US-Zölle (2. April 2025) zu beantworten . Man muss mit Schriftsteller Bertolt Brecht feststellen: "Wir sehen betroffen alle Fragen offen".
"Das sind spannende Fragen, die wir sehr gerne beantworten würden. Aufgrund der derzeit sehr volatilen Entscheidungen in den USA und Europa sind wir jedoch derzeit nicht in der Lage, seriöse Einschätzungen und echte Antworten zu geben", so der Marketing-Chief eines in der Region Asien/Pazifik aktiven Distributors.
Der Chef eines MSP aus den USA: "Die Unsicherheit ist das Hindernis. Wir führen Gespräche, wir senden Informationen an unsere Vertriebsteams, wir bitten unsere Kunden um Input. Aber das sind alles nur eine Menge Datenpunkte ohne jegliche Auswirkung oder irgendetwas, worauf man eine Entscheidung treffen kann."
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