TCC-Analysten zu US-Zöllen, Preisentwicklung und Auswirkungen auf IT-Budgets
Vereinzelt haben Hersteller Preiserhöhungen bereits angekündigt. Einige Systemhäuser/MSPs und Distributoren rechnet bei Hardware, aber auch bei Software mit höheren Preisen. Partner müssen und werden sie weitergeben. Wie reagieren die Kunden der IT-Dienstleister? Erste Ergebnisse einer Blitzumfrage der Branchenanalysten von "The Channel Company" (TCC), zu der CRN gehört.
Im von der US-Regierung losgetretenen Streit um Zölle und Gegenzölle ist eine seriöse Planung des IT-Geschäfts länger als über ein, zwei Quartale hinweg eigentlich nicht möglich. Die allgemeine Unsicherheit aufgrund der Unberechenbarkeit der US-Regierung spiegelt sich in der Meinungsbildung des Channels wider. Niemand, auch kein Branchenanalyst, kann vorhersehen, wie die Entwicklungen aussehen werden bei Preisen, Nachfrageverhalten und Investitionen der Endanwenderkunden, eigenen Investitionsvorhaben oder mittel- bis langfristige Verschiebungen im IT-Markt.
Stimmungsbild im Channel: Sicher ist nur die Unsicherheit
Partner berichten den Branchenanalysten von IPED-Consulting, eine Abteilung von "The Channel Company" (TCC), zu der auch CRN gehört, erste Reaktionen auf die US-Zölle. Rund 60 Partner, Distributoren und Hersteller weltweit haben sich an einer Blitzumfrage von IPED beteiligt, aus der sich ein Stimmungsbild zu den Auswirkungen des Zollprotektionismus im Channel zeichnen lässt. Die Umfrage fand zwischen dem 9. und 11. April 2025 statt.
Will man die von den Analysten abgefragten fünf Untersuchungsbereiche (Preise, Nachfrage und IT-Budgets der Anwenderkunden, Investitionspläne der IT-Anbieter, Maßnahmen zur Krisenbewältigung, kurz- bis langfristiger Ausblick) unter eine Überschrift stellen, würde man, wenig überraschend, titeln: "Sicher ist nur die Unsicherheit"
Preiserhöhungen: von minimal bis massiv
Diese Unsicherheit bezüglich Preiserhöhungen ist ebenso wenig überraschend, zumal die Hersteller in ihrer Kommunikation mit den Partnern sehr unterschiedlich Auskunft über die Auswirkungen der US-Zölle auf die Preise geben. Einige kommunizieren überhaupt nicht, während andere bereits Preiserhöhungen ankündigen. Valide Aussagen zur längerfristigen Entwicklung können nicht gemacht werden. Zu unseriös würden solche Statements klingen, sie könnten von der nahezu täglich wechselnden US-Politik schon wieder überholt sein, kaum dass sie veröffentlicht wären.
Dazu teilt der Marketing-Chef eines in der Region Asien/Pazifik tätigen Distributors den Analysten von TCC mit: "Das sind spannende Fragen, die wir sehr gerne beantworten würden. Aufgrund der derzeit sehr volatilen Entscheidungen in den USA und Europa sind wir jedoch derzeit nicht in der Lage, seriöse Einschätzungen und echte Antworten zu geben."
Diese Aussage erhielt CRN Deutschland auch im Telefonat mit global agierenden Distributoren, die sich an der schriftlichen Online-Blitzumfrage nicht beteiligen konnten, bzw. wollten. TCC nennt die Aussagen der Umfrage-Teilnehmer, die geantwortet haben, nur anonymisiert.
Dennoch äußerten sich auch einige Hersteller gegenüber ihren Partnern, und auch die Vertriebspartner der Hersteller beziehen eigene Stellung zu möglichen Auswirkungen der US-Zölle auf die Preise und ihr Geschäft.
"Ich bin absolut überzeugt, dass es eine Einigung zwischen der EU und den USA geben wird", sagt der Geschäftsführer eines Systemhauses aus Deutschland mit rund 10 Mio. Euro Jahresumsatz. Wie werden sich die Preise entwickeln? "Unklar", antwortet er.
"Minimale Preiserhöhungen", erwidert ein Branchenkollege aus den USA, dessen Systemhaus in der gleichen Umsatzgröße agiert. Er gibt aber die Info, von "einigen Anbietern von Sicherheitssoftware Preiserhöhungen von 10 bis 12 Prozent" avisiert bekommen zu haben.
Ein großer IT-Dienstleister aus den USA (100 bis 500 Mio. US-Dollar Umsatz) rechnet mit signifikanten Preiserhöhungen. "Jeder Partner mit signifikantem Hardware-Engagement wird hart getroffen werden", sagt er. Ferner gibt er zu Protokoll: "Ich glaube, dass auch die Hersteller, die nicht so sehr von der Offshore-Fertigung oder Teilen abhängig sind, ihre Preise erhöhen werden. Das ist eine Unterscheidung, die auf dem Markt wahrscheinlich nicht deutlich gemacht wird".
Ein von TCC befragter Anbieter von Security-Hardware und -Software geht von "bestenfalls minimalen Erhöhungen" der Preise aus, "die eher von Wechselkursen in bestimmten Regionen abhängen werden". Er teilt ferner mit: "Wir haben heute eine Mitteilung an unsere Partner geschickt, in der wir ihnen mitteilen, dass wir die Preise für Bestellungen, die sie in diesem Quartal aufgeben, überhaupt nicht erhöhen werden".
Fazit der TCC-Analysten aus weiteren Statements der Partner und Hersteller zu Preiserwartungen aufgrund der US-Zölle
- Partner können und werden keine Preiserhöhungen verkraften
- Erhöhung der Mindestpreise auf breiter Front erwartet
- Viele haben Mitteilungen von Anbietern erhalten, die eine Preiserhöhung von 10 bis 15 Prozent ankündigen
- Die Preise von Cloud-/Softwareanbietern sind vorerst nicht betroffen - bis Infrastrukturkosten steigen oder Zölle und Gegenzölle auf US-Software, bzw. Cloud-Angebote aus den USA verhängt werden könnten
Wie die Anbieter reagieren
- Die meisten Anbieter warten ab, beobachten aber aktiv
- Untersuchen aktiv Anpassungen in der Lieferkette, um die Auswirkungen zu minimieren
- Es wird Preiserhöhungen geben, wahrscheinlich ab Q3
- Viele senden Nachrichten über Anpassungen von Einzelposten, aufgrund weitergegebener Zölle
Auswirkungen auf Nachfrage und IT-Budgets
Unsicherheit im Channel zeigt sich auch bei der Frage, wie sich der aktuelle Zollstreit auf das Investitionsverhalten der Anwenderkunden und ihre IT-Budgets auswirkt. Drohende Preiserhöhungen sind nur ein Faktor von vielen, die bei Investitionsentscheidungen hinzugezogen werden. Die sich abzeichnende politische "Entfremdung" zwischen den USA und Bündnisländern dürfte ebenso eine Rolle spielen. Nicht nur mittel- bis langfristig, sondern die Konsequenzen geopolitischer Verwerfungen zeichnet sich ganz konkret schon jetzt ab, wie ein MSP aus Großbritannien (Umsatz 50 bis 100 Mio. US-Dollar) den TCC-Analysten berichtet.
"Wir haben bereits gesehen, wie ein großer Kunde in London ein großes Projekt im 9-stelligen Bereich in den USA zurückzog und sich stattdessen auf ein großes Projekt in Deutschland konzentrierte".
In den USA berichten Partner von teils hektischem Kundenverhalten nach den Tagen der vom US-Präsidenten verkündeten Einführung von weltweiten Zöllen für Warenimporte in die USA am so genannten "Liberation Day" (2. April 2025). Wenige Tage danach setzte Trump die Zölle für die meisten Länder (bis auf China) für 90 Tage aus. Wie es dann weitergeht, ist völlig offen.
"Wir haben gesehen, dass einige Kunden vor den Zöllen Käufe tätigten und andere wegen der Zölle Käufe aufschieben", berichtet ein größerer Service-Provider aus den USA (100 bis 500 Mio. Dollar Umsatz). Er geht von einem "minimalen Rückgang" der IT-Budgets aus.
"Wir erwarten, dass die Kunden ihre Käufe zurückhalten und die vorhandenen Bestände ausschöpfen", sagt ein anderer Service-Provider aus den USA. Auch er rechnet damit, dass Kunden ihre IT-Ausgaben "leicht senken" werden. "Ich sehe nicht, dass sich die Budgets in Luft auflösen - es wird nur weniger Geld zur Verfügung stehen", so ein anderer Service-Provider aus den USA mit einem Umsatz von 50 bis 100 Mio. Dollar.
Einen Kunden dieses Partners trifft es hart: "Einer meiner Hauptkunden produziert Teile für ein F50-Unternehmen [Fortune 50], das diese Produkte nach China verkauft. Das wird sich erheblich auf sein Geschäft auswirken".
Fazit der TCC-Analysten aus weiteren Statements der Partner und Hersteller zum Investitionsverhalten der Endanwenderkunden
- Die Verkaufszyklen verlängern sich, die Entscheidungsfindung verlangsamt sich
- "Buy Now" ist ein Mantra für viele, aber der Nachweis des Erfolgs ist minimal (abgesehen von einigen Ausnahmen bei Hardware)
- Ähnlich wie bei der Covid-Pandemie: Keine Auswirkungen auf strategische Projekte. Kunden geben für Bedürfnisse aus, verzögern "Wünsche". Die Auswirkungen werden je nach Branche variieren
- Software-/Cloud-Unternehmen haben noch keine Auswirkungen gesehen, erwarten aber, dass Unsicherheit zu Verzögerungen und weniger Abschlüssen führt
- Q1 scheint positiv zu sein, aber Abschlüsse werden jetzt verzögert
- Internationale Besorgnis, wie amerikanische Produkte wahrgenommen werden und die Kaufentscheidung beeinflussen
Channel selten so rat- und teils hilflos
Selten erlebt man IT-Unternehmen so rat- und teils hilflos wie in der aktuell angespannten ökonomischen und politisch aufgeladenen Situation. Es scheint, dass selbst in der schweren weltweiten Krise der Corona-Pandemie eine größere wirtschaftliche Zuversicht geherrscht hatte als heute. Eine Pandemie würde vergehen, freilich mit negativen Folgen, auch längerfristigen für Mensch und Wirtschaft. Ungewiss ist aktuell indes, wie es bei der US-Zollpolitik weitergeht, ob und wie die Auswirkungen auf Unternehmen und die Weltwirtschaft insgesamt einzuschätzen sind.
"Die Unsicherheit ist das Hindernis. Wir führen Gespräche, wir senden Informationen an unsere Vertriebsteams, wir bitten die Kunden um ihre Meinung. Aber das sind alles nur eine Menge Datenpunkte ohne Auswirkungen oder irgendetwas, worauf man eine Entscheidung treffen kann", fasst der Chef eines MSPs aus den USA die aktuelle Lage sehr treffend zusammen. Die Unsicherheit ist das Hindernis und zwar für alle: Hersteller, Distributoren, Partner und deren Kunden
Im weiteren Artikel zur TCC-Analyse zu den Auswirkungen der US-Zölle auf den Channel stellt CRN am kommenden Freitag Statement der Blitzumfrage zu Investitionspläne der IT-Anbieter, Maßnahmen zur Krisenbewältigung, kurz- bis langfristiger Ausblick) vor.
Ansprechpartner von IPED Consulting bei "The Channel Company" und Leiter der Blitzumfrage zu den Auswirkungen der US-Zölle ist John Machado (jmachado(at)thechannelco.com).
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