Cisco-Channel-Chef: Der Zoo an Security-Einzellösungen führt in die Sackgasse

In sechs Jahren ist die Zahl von Security-Lösungen bei einer Kunden-IT im Schnitt von 38 auf rund 70 gewachsen. Reinverkaufen, was geht: damit soll und muss Schluss sein. Cisco weist mit seiner Security-Plattform und KI-Lösungen Partnern Wege aus einem "Dilemma", wie Cisco Channel-Chef Rüdiger Wölfl im CRN-Gespräch sagt. Neben viel Geld für den Wandel seines Geschäftsmodells greift Cisco auch kleineren Partnern bei Events und Workshops unter die Arme.

Cisco Channel-Chef Deutschland Rüdiger Wölfl im CRN-Gespräch: "Secure Network ist eine Top-Opportunity für die Partner"

Kürzlich auf einem Security-Event von Cisco explizit für kleinere Partner: Deutschland-Chef Uwe Peter und Channel-Chef Rüdiger Wölfl sind alles andere als erstaunt, dass die No-Show-Quote unter 3 Prozent liegt. "Das Interesse ist riesengroß", sagt Wölfl. Viele der anwesenden Unternehmen kennt der Channel-Deutschland-Chef noch nicht. Schließlich wird der für Cisco wichtige SMB-Channel vorwiegend über die Distribution betreut. Dass sich die beiden Top-Manager die Ehre geben, bei einem Security-Event höchstpersönlich mit vor allem kleineren Partnern auszutauschen, hat zwei handfeste Gründe.

Der eine: Cisco hat in den letzten fünf Jahren massiv in Cybersicherheit investiert und viele Hersteller übernommen: Splunk war mit 28 Mrd. US-Dollar die mit Abstand größte Investition. Beim Threat Intelligence-Anbieter Talos, einer Cisco-Tochter, arbeiten rund 500 Mitarbeiter. Startups wie Pinacle, Lightspin aus Israel oder Snapattack wurden gekauft, um Splunks SIEM-Lösung zu verbessern und Security Operation Center (SOC) der Zukunft anzubieten. Cisco ist mittlerweile ein großer Cybersecurity-Anbieter, der natürlich das angestammte Netzwerkgeschäft nicht vernachlässigt. Die Strategie: "Infrastruktur und Security muss man zusammen denken", sagt Wölfl.

Der zweite Grund, warum das Cisco-Top-Management bei Security-Events vor kleineren Partnern spricht: sie müssen mit der bitter notwendigen Konsolidierung des "Produkt-Zoos mit im Durchschnitt rund 70 Hersteller-Einzellösungen bei einer Kunden-IT" angehen, so Wölfl. 2017 waren es im Schnitt "nur" 38 Security-Lösungen, die nach dem Motto Reinverkaufen, was in die Kunden-IT geht, abgesetzt wurden. Mit dieser Vertriebsdenke, die in eine Sackgasse führt, muss Schluss sein.

Doch wie herauskommen aus diesem "ganz großen Dilemma" und "Security ganz neu denken", beschreibt der Cisco-Manager die für Kunden immer weniger zielführende Security-Lage. Zu schaffen ist das nur mit einem Security-Plattformansatz, so Wölfl. Das haben mittlerweile fast alle Security-Hersteller erkannt, und Cisco leitet hier mit ersten Lösungen aus dem Portfolio "Hypershild" die eigene Transformation ein. Ciscos Aussagen zufolge sei Hypershild eine "bahnbrechenden Security-Architektur, die moderne, KI-basierte Rechenzentren schützt und so die Leistungsfähigkeit der Hyperscaler-Technologie in Unternehmen bringt." Massive Investitionen seien von Cisco in den Channel geflossen. In den letzten 18 Monaten haben wir die größten Partnerprogramme aufgesetzt, die wir jemals hatten. Cyberfire beispielsweise", sagt Wölfl. "Da haben sich manche Partner die Augen gerieben und waren angesichts der Höhe der Investitionen überrascht". Ebenso habe Cisco die Zahl der Partner-Workshops in den letzten zwei Jahren "verfünffacht", berichtet Cisco-Manager Wölfl.

Cisco Digital-Kompass 2025: Schäden durch Cyberangriffe steigen, die Angriffe auf KRITIS-Unternehmen explodieren. Darauf sind die wenigsten Unternehmen "bestmöglich" vorbereitet. Immer mehr Security-Einzellösungen führen in die Sackgasse

Wie notwendig Cisco das Security-Enablement der Partner hält, unterstreicht er mit einer für ihn und auch die Partner zwar nicht überraschenden, aber doch "erschreckenden Zahl" aus dem brandneuen Digital-Kompass 2025 von Cisco: Lediglich 2 Prozent der von Cisco befragten Unternehmen seien auf Cyber-Sicherheit "bestmöglich vorbereitet". Eine, wie man in Bayern sagt, "Watschn", die durchaus nicht nur Kunden schmerzt, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der Sicherheitshersteller und ihr Partnerökosystem sein dürfte.

Blickt man nämlich tiefer in die Infrastruktur der Kunden-IT wird, neben dem Zoo an Einzellösungen, klar, warum nur so wenige Unternehmen sich gegen den Worst Case bestmöglich gewappnet sehen. "Rund 70 Prozent der Firewalls sind fehlerhaft konfiguriert", hören Partner von Wölfl. Viele wissen das wohl aus eigener Analyse, doch wie schaffen es Security-Dienstleister angesichts fehlender Fachkräfte falsche Firewall-Einstellungen zu entdecken und sie abzustellen? Die Demo von "Cisco AI Assistant for Security" zeigt es den Partnern, findet "höchstes Interesse", berichtet Cisco Channel-Chef Deutschland CRN im Hintergrundgespräch.

Der "Move" vom Security-Vertrieb zur Security-Beratung mit Fokus auf einen ganzheitlichen Plattformansatz braucht freilich Zeit. Cisco wie seine Partner müssen viel Überzeugungsarbeit leisten. Eine Alternative scheint es jedoch nicht zu geben, will man den Wandel von einer bisher überwiegend auf reaktive Cybersecurity fokussierten Industrie zu Dienstleistungen für einen proaktiven Security-Schutz gelangen, um so die steigende Zahl immer raffinierter Hackerangriffe endlich eindämmen zu können.

KI-Welle wird Partner-Umsatzmix stark verschieben

"KI wird bei Security eine ganz große Rolle spielen", ist sich Wölf sicher. Wird auch kleineren Partner mit noch nicht so viel Know-how eine "riesengroße Chance eröffnen, ihr Geschäft zu steigern". 29 Prozent der europäischen Partner werden zum Ende dieses Jahrzehnts mit KI-basierte Lösungen Dreiviertel ihrer Umsätze generieren, sagt eine Cisco-Channel-Umfrage, über die CRN kürzlich berichtete. Große Partner sieht Wölfl auf die KI-Welle bereits gut vorbereitet. Bechtle, Cancom Computacenter, SVA, alles wichtige und strategische Cisco-Partner, hätten mit ihrer Ausrichtung auf das Geschäftsfeld Workplace "frühzeitig und viel KI-Kompetenz aufgebaut".

Es fallen die Herstellernamen Dell und HPE, beide ebenfalls strategische Partner der genannten IT-Dienstleister und im Netzwerkgeschäft auch harte Cisco-Wettbewerber, die aber mit ihrem KI-Portfolio ihre Partner zu Investitionen in diesen Zukunftsmarkt überzeugt haben, was Cisco nun durchaus "in die Hände spielt", sagt Wölfl und nennt "Secure Network" eine "Top-Opportunity für die Partner".

Ähnlich wie bei Cybersicherheit ist der Status Quo der KI-Adaption deutscher Unternehmen noch sehr ausbaufähig. Ciscos Digital-Kompass 2025 sieht lediglich 6 Prozent der Unternehmen hierzulande "bestmöglich" auf KI vorbereitet. Eine sogar geringfügige Verschlechterung der "AI Readiness" gegenüber dem Vorjahr. Auch hier gibt es noch viel zu tun: für Cisco, für seine "brutal wichtigen Distributoren", wie Wölfl sagt, und für die Partner – große wie erst recht kleinere Beratungs- und Systemhäuser.

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