Bedingt abwehrbereit: Ionos nun auch im Rüstungslobbyverband

Ionos ist dem Bundesverband der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) beigetreten. Zahlreiche IT-Firmen sind schon Mitglied von Deutschlands größtem Rüstungslobbyisten, der seit Jahresbeginn enormen Zulauf hat. Digitale Souveränität ist auch eine wehrpolitische Frage. Geht es überhaupt mit Hyperscalern nur aus Deutschland, respektive der EU?

Waffensysteme sind längst digitalisiert, die Verwaltungen auch. Sie sollen aber digital souveräner werden, daher sucht nun auch der deutsche Cloud-Anbieter Ionos den Kontakt zur Verteidigungsindustrie (Foto: BDSV)

Der BDSV, Deutschlands größter Lobbyverband der Rüstungsindustrie, verzeichnet seit Jahresbeginn einen starken Zuwachs. Über 50 Unternehmen sind neu in den BDSV eingetreten, sagt Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien, der den Verband 2009 mitbegründet hat. Als jüngstes Mitglied begrüßt der Verbandsfunktionär den deutschen Cloud-Anbieter Ionos. Ganz allgemein skizziert er die im BDSV aktiven 228 Unternehmen (Stand 19. Juni 2024 laut Lobbyregister beim Deutschen Bundestag): "Unsere Mitgliedsunternehmen verstehen sich in erster Linie als hochqualifizierte Ausrüster und Partner der Bundeswehr sowie der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben der Bundesrepublik Deutschland". Sie seien "ein unverzichtbarer Bestandteil deutscher Sicherheitsinteressen und dienen unmittelbar der Sicherheit und Freiheit der in unserem Land lebenden Bürgerinnen und Bürger". Digitale Infrastrukturen wie Rechenzentren, überhaupt IT und Digitalisierung, sind aus der Verwaltung der Bundeswehr nicht mehr wegzudenken.

In der aktuellen geopolitisch angespannten Lage kann sich Deutschland und Euro nicht mehr uneingeschränkt auf seinen bis dato wichtigsten Partner USA verlassen – und das gilt in allen Bereichen: Handel, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie auch Verteidigung. "In der Verteidigungsindustrie ist das Thema Digitale Souveränität so wichtig wie in kaum einem anderen Bereich", sagt Achim Weiß, Chef von Ionos. Unternehmen und Behörden müssten "genau überlegen, wo sie ihre Daten speichern", so der CEO. Selbstredend ist das "unsere sichere und souveräne IONOS Cloud". Sie unterliege "strengsten europäischen Datenschutzregelungen". Mit seinen Rechenzentren in Deutschland und ganz Europa dienst sich Ionos den Mitgliedsunternehmen des BDSV an. "Nur bei Unternehmen mit Hauptsitz in der EU und mit lokalen Rechenzentren, die regelmäßig zertifiziert werden, können Cloud-Anwender sicher sein, dass Drittstaaten und ausländische Geheimdienste keinen Zugriff auf ihre Daten haben", führt Weiß die Vorteile der datensouveränen Ionons-Cloud vor Augen.

Ionos in guter Gesellschaft - viele IT- und Softwarefirmen im BDSV

"Software Defined Defence" und Cybersecurity spielen im Verteidigungssektor eine immer größere Rolle. Das ist auch an der Mitgliederliste des BDSV abzulesen. Große IT-Beratungshäuser und Systemintegratoren wie Atos, Capgemini, CGI, Detecon oder Telekom sind Mitglieder, genauso wie mittelständische Software- und Systemhäuser, beispielsweise SAP-Berater Conet, Datagroup Defence IT Services, die deutsche Tochter des französischen CAD-Anbieter Dassault Systèmes, Materna, Software AG oder Systematics. Ionos unterhält zu vielen von ihnen bereits Partnerschaften. Neue im Public Sektor für die Verteidigung kommen sicher hinzu.

Auch viele Security-Anbieter, die als ISVs Rechenzentren für die SaaS-Bereitstellung benötigen, gehören dem BDSV an: DriveLock aus München, Genua aus Kirchheim bei München, Secunet und Rohde & Schwarz. Mit seinen robusten Computern für die Bundeswehr und Militärs in anderen Ländern ist die stark wachsende Wortmann-Tochter Roda Computer Mitglied des BDSV.

Überwiegend haben die Mitgliedsunternehmen im BDSV ihre Firmenzentralen in Deutschland, beziehungsweise in europäischen Ländern. Bis auf IBM. Anders als etwa im deutschen ITK-Spitzenverband Bitkom, wo fast alle US-amerikanischen Techkonzerne vertreten sind und sich viele auch mit digitalsouveränen Plattformen für Europa ins Spiel bringen, ist Big Blue im BDSV der einzige US-Technologiekonzern.

Ionos-Chef Achim Weiß gehört nicht zu jenen Managern, die öffentlich darüber spekulieren, wie die USA auf harte Maßnahmen der EU in Reaktion auf die Zölle der Trump-Regierung reagieren könnte. In Brüssel jedenfalls liegen mehrere Optionen auf dem Tisch, die großen US-Konzerne kräftiger zur Kasse zu bitten – ob Erhöhung der Steuern für Gewinne oder eine Digitalsteuer auf die Umsätze der US-Techriesen.

Große Abhängigkeit von US-Anbietern

Was Trump geflissentlich verschweigt: Die USA erzielen einen Handelsbilanzüberschuss für Dienstleistungen innerhalb der EU von 108,6 Mrd. Euro. Beim Warenhandel mit den USA erzielt die EU dagegen einen Überschuss von 156,5 Mrd. Euro. Es geht also in der Gesamtbetrachtung um ein Handelsdefizit von rund 50 Mrd. Euro. Eine vergleichsweise geringe Summe, wenn man auf drohende Schäden für beide Volkswirtschaften schaut, würde der Handelskonflikt auf die Spitze getrieben. Wer kann aber schon sicher sein, dass ein unberechenbarer US-Präsident nicht zum Äußersten greift?

Die US-Administration bis in die US-Konzerne hineinregieren lässt, ihnen womöglich Beschränkungen für Europa auferlegt? Es wäre von der EU jedenfalls fahrlässig, würde sie dem US-Präsidenten einen Vorwand geben, Cloud- und SaaS-Dienste aus den USA für den europäischen Markt zu untersagen.

Die große Abhängigkeit der deutschen und europäischen Digitalwirtschaft allein von den Hypersalern AWS, Google, Microsoft ist sehr groß. Verwaltung und Wirtschaft stünden hierzulande still. Der Schaden für Tausende von Partnern dieser Anbieter in Deutschland und Europa massiv. Umgekehrt natürlich auch: Europas Kunden sind für die US-Techkonzerne unverzichtbar.

Es gibt freilich Cloud-Alternativen zu US-Anbietern, auf Open Source basierende Technologie, Cybersicherheitssoftware von Herstellern aus der EU, einschließlich Schweiz, oder beispielsweise Japan. Ionos aus Deutschland, europäische Datacenter-Betreiber und Cloud-Provider aus dem Mittelstand gibt es viele. Hinzu kommen ehrgeizige – leider aber gescheiterte - EU-Projekte wie GaiaX. Die Marktdominanz der US-Anbieter können sie nicht ersetzen, kurzfristig nicht und auch mittelfristig nicht.

Bundeswehr und OpenDesk

Digitale Souveränität bleibt für Bund, Länder und speziell auch für die Bundeswehr ein herausforderndes Thema. Eines, das angegangen wird, aber nur langsam umgesetzt wird. Erste Schritte in diese Richtung hat die Bundeswehr bereits eingeleitet und will ihre Verwaltung mit der Microsoft 365-Alternative OpenDesk ausstatten. Das IT-Systemhaus der Bundeswehr BWI hat dem Zentrum für digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung (Zendis), Ende 2022 gegründet, einen Rahmenvertrag über souveräne Kommunikations- und Kollaborationslösungen geschlossen.

CRN-Newsletter beziehen und Archiv nutzen - kostenlos: Jetzt bei der CRN Community anmelden

Die renommierten CRN Channel Award 2025 für Hersteller, Distributoren, IT-Dienstleister, Managerinnern und Manager: Jetzt bewerben – alle Infos hier