Wegen KI-Boom: Bain warnt vor nächster Chip-Knappheit
Der Hard- und Softwaremarkt für immer größere KI-Rechenzentren im Gigawattbereich ist auf dem Weg zu einem Billionengeschäft zu werden. Chiphersteller müssten der Unternehmensberatung Bain zufolge ihre Produktionskapazitäten vervielfachen, um die Nachfrage zu decken.
Laut dem Global Technology Report von Bain & Company zufolge werde der weltweite Markt für Hardware und Software im Bereich künstliche Intelligenz jährlich zwischen 40 und 55 Prozent wachsen. 2027 könnte der Markt ein Volumen zwischen 780 und 990 Mrd. US-Dollar erreichen.
Wachstumsschübe dieser Größenordnung sind nur möglich, wenn Chiphersteller in der Lage sind, ihre Fertigungskapazitäten deutlich zu erhöhen. Während der Corona-Pandemie brachen viele Lieferketten wegen Produktionsstopp zusammen. Davon war die gesamte IT-Industrie betroffen, aber auch Unternehmen anderer Sektoren. Denn in jedem Auto oder jeder Anlage stecken Computer-Chips.
Nach der Pandemie sind die Lieferketten zwar wieder belastbar. Der KI-Boom allerdingst stellt die IT-Branche vor neue Herausforderungen. Die Nachfrage nach bestimmten Chips für KI-Workloads ist höher als das Angebot. Der Bau einer Chipfabrik dauert viele Jahre. Intel wollte in Magdeburg die Chipfertigung ursprünglich 2027 oder 2028 aufnehmen, hat den Bau der rund 30 Mrd. Euro teureFabrik, die mit 10 Mrd. Euro Staatshilfe vom Bund subventioniert werden solle, vorerst um zwei Jahre verschoben. Ob der Chip-Riese in Magdeburg überhaupt baut, ist ungewiss. Intel ist finanziell angeschlagen und hat ein Sparprogramm verkündet.
Gigawatt-Rechenzentren: Gewaltige Investitionen, massiv steigende Betriebskosten
Massive Investitionen müssen die Betreiber von Rechenzentren stemmen. Die Datacenter werden immer größer, weil KI-Workloads nicht nur zunehmen, sie benötigen auch mehr Rechenpower. Zudem erhöhen sich die Betriebskosten, alleine der Strombedarf ist so gewaltig, dass Hyperscaler Microsoft, Google und auch Oracle Mini-Atomkraftwerke ins Kalkül ziehen, um den Strombedarf decken zu können.
Bain schätzt, dass KI-Workloads bis 2027 jährlich um 25 bis 35 Prozent wachsen könnten. Angesichts dieser Entwicklung wird der Bedarf an Rechenleistung in den nächsten fünf bis zehn Jahren erheblich zunehmen und größere Rechenzentren erfordern - von den heute meist üblichen 50 bis 200 Megawatt auf mehr als ein Gigawatt. Microsoft beispielsweise plant, bzw. baut aktuell 500 neue Rechenzentren weltweit.
Nicht jeder Betreiber von Rechenzentren, ist möglicherweise so solvent wie Hyperscaler, um massive Investitionen zu stemmen. Schlägt der Neubau eines großen Rechenzentrums derzeit mit rund einer bis vier Milliarden US-Dollar zu Buche, dürfte er sich in fünf Jahren auf etwa zehn bis 25 Milliarden US-Dollar belaufen, rechnet Bain vor. Diese Veränderungen würden voraussichtlich "enorme Auswirkungen auf die Lieferketten sowie die Ökosysteme der Rechenzentren haben, einschließlich Infrastrukturtechnik, Stromversorgung und Kühlung", so die Unternehmensberatung.
Planungsunsicherheit bei Anwenderunternehmen
"Generative KI treibt den aktuellen Wandel im Technologiesektor maßgeblich an, doch er wird erschwert durch die wirtschaftlichen Umbrüche und die Notwendigkeit, Geschäftsprozesse anzupassen", erklärt Claus Benkert, Technologieexperte bei Bain-Partner. Das hat nicht nur für die IT-Industrie Folgen, sondern erschwert es auch IT-Entscheidern bei Anwenderunternehmen, ihre IT-Strategie zu planen. Inzwischen gingen Unternehmen über die Experimentierphase hinaus und würden beginnen, generative KI in großem Maßstab in ihrer Organisation zu integrieren, stellt Bain fest. "Infolgedessen müssen CIOs weiterhin auf etablierte, aber flexible KI-Lösungen setzen, die es den Unternehmen ermöglichen, sich an ein sich schnell veränderndes Umfeld anzupassen", so Benkert.
Nächste Chipknappheit droht
Der KI-bedingt steigende Bedarf an GPUs dürfte die Gesamtnachfrage nach bestimmten vorgelagerten Komponenten bis 2026 um 30 Prozent oder mehr erhöhen, wie der Bain-Report prognostiziert. "Der steigende Bedarf an KI-Rechenleistung wird die Lieferketten einmal mehr unter Druck setzen. Während neue Rechenzentren mehr Halbleiter benötigen, nimmt gleichzeitig die Nachfrage nach Computern und Smartphones weiter zu", betont Bain-Partner und Technologieexperte Hans Joachim Heider . "Diese Trends, gepaart mit geopolitischen Spannungen, könnten die nächste Chipknappheit auslösen", sagt er.
Sollte sich der Bedarf der Rechenzentren an GPUs der aktuellen Generation bis 2026 verdoppeln, müssten nicht nur die Zulieferer von Schlüsselkomponenten ihre Produktion steigern. Vielmehr wären auch die Hersteller von Chip-Packaging-Komponenten gezwungen, ihre Kapazitäten fast zu verdreifachen, um die Nachfrage zu decken.