Multiple Krisen: Umsätze im Online-Handel brechen ein
Der deutsche Online-Handel blickt auf ein mieses Weihnachtsgeschäft. Die Umsätze 2024 bleiben wohl hinter dem Vorjahr. Händler-Marktplätze konnten indes ihren Marktanteil erhöhen. Der Vormarsch asiatischer Billigheimer wie Temu, Shein und Aliexpress sieht der Verband bevh gestoppt.
Die gute Nachricht für den deutschen Online-Handel: 2024 wird es voraussichtlich nur ein leichtes Umsatzminus geben – nach einem katastrophalen Vorjahr mit einem erstmals zweistelligen Minus von 11,8 Prozent auf einen Bruttoumsatz von 79,7 Mrd. Euro. Dass dieses Jahr nicht ins Plus drehen wird, dürfte am miesen Weihnachtsgeschäft liegen, so die Bilanz des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh).
Das schlechte Weihnachtsgeschäft vermiese die Hoffnungen der Branche, dieses Jahr mit einer positiven Bilanz beenden zu können. Nach 11 Monaten 2024 beträgt dem Verband zufolge das Umsatzminus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 1,2 Prozent.
Rabattschlachten am Black Friday ziehen bei Verbrauchern nicht mehr so wie in den Vorjahren, es finden zu diesem Zeitpunkt immer weniger vorgezogene Käufe für Weihnachtsgeschenke statt. Aus der Verberbraucherumfrage, die der bevh im Oktober und November durchgeführt hat, extrapoliert der Verband ein Umsatzminus von 4,2 Prozent. "Im Vergleich zum Vorjahr haben sich etwas weniger Menschen ins digitale Weihnachtsgeschäft gestürzt, ebenfalls hat die Bestellfrequenz leicht abgenommen. Bei der generellen Sparneigung der Kundinnen und Kunden, die vermehrt auf Billigangebote zurückgreifen, bleibt unterm Strich weniger für die Händler übrig", kommentiert Martin Groß-Albenhausen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des bevh.
Wichtige Geschenke-Kategorien fast allesamt im Minus
Auf Warengruppen heruntergebrochen können lediglich Freizeit-Artikel (plus 0,8 Prozent), darunter Spielzeug (plus 2,7 Prozent), leicht zulegen. Alle anderen großen Kategorien verzeichnen mit dem Beginn der Weihnachtssaison im Oktober ein Minus. Besonders hart traf es laut bevh die Cluster "Bekleidung" inklusive Schuhe (minus 8,2 Prozent) und "Unterhaltung" (minus 5,7 Prozent). Letzteres habe besonders unter einem Umsatzeinbruch in der Kategorie "Elektrogeräte & Kommunikation" gelitten. Geschenkklassiker wie Smartphones, Computern und Spielekonsolen werden in diesem Jahr deutlich seltener unter den Weihnachtsbaum gelegt.
Minus im Handel – trotz mehr Geld im Geldbeutel
Mit Blick auf den Geldbeute müsste die Kauflaune der Verbraucher eigentlich gut sein. Denn die Reallöhne in Deutschland legen seit geraumer Zeit zu. Im zweiten Quartal 2024 legten sie laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Nach Abzug der Inflation von 2,3 Prozent lag der Reallohnanstieg bei 3,1 Prozent – übrigens der fünfte Anstieg in Folge. Die Phase des Kaufkraftverlusts zwischen Ende 2021 bis Anfang 2023 ist lange vorbei. Und Destatis meldete für das 2. Quartal 2024 zudem einen deutlichen Anstieg des Nominallohnwachstums bei jenem Fünftel der Haushalte, die den geringsten Verdienst haben. Er lag bei 7,6 Prozent. Das gleiche Plus übrigens, das das einkommensstärkste Fünftel verbuchen konnte.
Multiple Krisen bremsen Kauflaune
Die Erkenntnis von Wirtschaftspsychologen ist nicht neu, dass den existierenden Krisen die Krise im Kopf des Verbrauchers folgt. Je näher reale Krisen im Umfeld der Menschen stattfinden, desto düsterer sehen sie ihre eigene wirtschaftliche Zukunftsperspektive und schalten in den Sparmodus. Die Konsumbremse greift.
Groß-Albenhausen listet die schlechten Nachrichten der letzten Monate auf: massiver Stellenabbau vor allem in der Automobilbranche, das Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition, die Unsicherheit, wie sich die Politik der neuen US-Regierung auf Deutschland auswirken wird. Das lasse in der Bevölkerung keine ungetrübte Weihnachtsstimmung aufkommen. "Viele Geschenke werden in der Folge nur zu einem subventionierten Preis gekauft. Hier bestätigt der E-Commerce die Aussagen der Konsumbarometer und den Trend im gesamten Einzelhandel", erläutert Groß-Albenhausen. Die gute alte, vor mehr als 20 Jahren gelaunchte "Geiz ist Geil"-Kampagne von Saturn fällt der Elektronikkette immer noch auf die Füße - und dem ganzen Handel.
Vormarsch asiatischer Plattformen vorerst gestoppt
Dem ganzen? Nein, den Marktplatzanbietern unter den Händlern geht es aktuell weniger schlecht. "Die Marktbeobachtung zeigt, dass Onlinemarktplätze und solche Onlinehändler, die sich als Marktplatz für Dritte öffnen, mehr Nachfrage generieren", sagt Groß-Albenhausen.
Und noch eine für deutsche Online-Händler positive Nachricht: Der Umsatzanteil großer asiatischer Plattformen, die mächtig nach Deutschland und Europa expandieren, stagniert hierzulande. Die drei großen chinesischen Plattformen Temu, Shein und Aliexpress stehen laut bevh nach den ersten drei Quartal 2024 für mehr als 4 Prozent der Online-Umsätze. Das sind immerhin über 3 Mrd. Euro.
Allerdings kennen Temu&Co fast die Hälfte der Online-Shopper in Deutschland, da diese einer Befragung von Bitkom zufolge dort schon einmal etwas bestellt haben – auch wenn ein Drittel wegen oft schlechter Produktqualität und bisweilen sogar gefährlicher, weil gesundheitsschädigender Produkte ein schlechtes Gewissen plagt.
Und mit jeder Bestellung mehr, wächst diese Datenbasis. Denn die Temu-App soll auch Daten erfasst, die nichts mit einem Kauf zu tun haben, wie das IT-Sicherheitsunternehmen Eset berichtete.