Schwarz-Gruppe und Google ziehen gemeinsam souveräne EU-Cloudangebote auf
Digitale Souveränität in der EU mit Technologie von US-Unternehmen, ein Widerspruch? Nein, sagen die Schwarz-Gruppe und Google und unterzeichnen eine weitreichende Partnerschaft. Gemeinsam wollen die Unternehmen "europäischen Organisationen eine neue Welt voller souveräner Möglichkeiten" anbieten und sie so in eine "neue Ära der Innovation" führen, so Google-Chef Sundar Pichai. Kritiker sprechen von "Etikettenschwindel".
Die als strategische Partnerschaft verkündete Zusammenarbeit der Schwarz Gruppe und Google ist eine Überraschung. Hatte sich der Lidl-Konzern mit seiner IT-Sparte Schwarz Digits und Stackit ("deutsche Cloud") bisher von US-Technologieanbietern abgegrenzt, um für Digitale Souveränität zu werben. Nun wird Google ein wichtiger Player für das Cloud-Geschäft der Schwarz-Gruppe und umgekehrt: die Schwarz-Gruppe mit ihren weltweit 575.000 Beschäftigten ein wichtiger Großkunde von Google. Google-Chef Sundar Pichai und Gerd Chrzanowski, Komplementär der Schwarz Gruppe, verbünden sich.
Stackit wird für Googles Collaboration-Lösung Workspace – also Office-Applikationen – alle Daten in seinen Rechenzentren speichern. Sie werden verschlüsselt und zwar mit XM Cyber, der zugekauften Firma von Schwarz-Gruppe, so dass Google auf Daten nicht zugreifen kann. "Dadurch entsteht eine sichere und souveräne Lösung für Effizienz am Arbeitsplatz mit XM Cyber als integrierter Sicherheitslösung", so die Schwarz-Gruppe. Künftig werden alle 575.000 Mitarbeiter der Schwarz-Gruppe mit Google Workspace arbeiten. Teil des Deals: Die Lösung XM Cyber wird Google künftig in sein Sicherheitsportfolio von Google Cloud aufnehmen. Zielgruppe sind Behörden und Unternehmen. Beide Partner wollen so ihren Vertrieb stärken.
Man habe mit Google "einen Partner gefunden, der mit uns auf Augenhöhe gemeinsame Lösungen entwickelt, transparente Einblicke gewährt und klare Verpflichtungen eingeht", sagt Chrzanowski. Selbstbewusst Google-Chef Pichai: die Unternehmen der Schwarz-Gruppe würde dank der neuen Partnerschaft die "Stärken von Google Cloud" und "hochmoderner KI" mit der "Führungsrolle" der Schwarz-Gruppe auf dem Gebiet der digitalen Transformation kombinieren.
Zum Wohle der Digitalen Souveränität von Behörden und Unternehmen, denn die Stoßrichtung laut Pichai: "Gemeinsam eröffnen wir europäischen Organisationen eine neue Welt voller souveräner Möglichkeiten für Innovationen und den Aufbau auf unseren gemeinsamen Lösungen und beschleunigen so eine neue Ära der Innovation."
Stackit sorgt für eine clientseitige Verschlüsselung von Google Workspace-Daten, sie würden in den Rechenzentren von Stackit und damit innerhalb der EU verbleiben, "um die Anforderungen der Kunden in Bezug auf Datenschutz, Datenresidenz und Datenresilienz zu erfüllen". Google habe keinen Zugriff auf die Daten. Behörden und Unternehmen aus regulierten Branchen in Deutschland und Europa erfüllten so gesetzliche Auflagen, die etwa einen Verbleib der Daten in der EU vorschreiben. Kunden hätten eine "Gewährleistung, dass alle Daten auf lokalem Boden gesichert werden, ohne dass ausländische Staaten oder Plattformanbieter darauf zugreifen können", sagt Rolf Schumann, Co-CEO von Schwarz Digits. "Unsere Partnerschaft und unser Angebot mit Google Cloud werden diese Lücke mit einem völlig neuen Geschäftsmodell schließen", betont der Manager.
Das sieht auch Thomas Kurian, CEO von Google Cloud, so: "Diese Partnerschaft verändert die Spielregeln für regulierte Branchen in Europa, indem sie die Souveränitäts- und Sicherheitsbedenken beseitigt, die eine ambitioniertere Einführung der Cloud für Produktivität und Zusammenarbeit oft behindern", sagt er. Die Allianz mit den Unternehmen der Schwarz Gruppe werde "es zahlreichen Branchen in Europa erlauben, digitale Innovationen bereitzustellen, bei denen Sicherheit und Compliance im Mittelpunkt stehen."
Etikettenschwindel?
Ganz neu ist das Geschäftsmodell der beiden strategisch verbündeten Partner Google und Schwarz-Gruppe freilich nicht. Bereits vor einigen Jahren schlossen sich Microsoft und Deutsche Telekom zusammen, um eine "vertrauenswürdige Cloud-Infrastruktur" zu etablieren. Der jüngste Vorstoß in Richtung Digitale Souveränität kommt von Delos, einer Tochter von SAP. Der Anbieter wirbt mit einer "souveränen Cloud" für die öffentliche Verwaltung hierzulande. Die technologische Basis liefert Microsoft mit Azure.
Verfechter einer "echten" Digitalen Souveränität, meist aus dem Open-Source-Umfeld, und Datenschützer kritisieren solche Partnerschaftsmodelle als "Etikettenschwindel". Gründe dafür: Kein offener Quellcode, Rechtsunsicherheit aufgrund des in den USA geltenden Cloud Act, der amerikanischen Behörden das Recht einräumt, auf Daten zuzugreifen, auch wenn amerikanische Technologiefirmen diese in Drittstaaten speichern.
Es ist damit zu rechnen, dass noch weitere US-Technologieunternehmen mit bekannten Partnerschaftsmodellen oder neuen technologischen Ansätzen unter dem Label der Digitalen Souveränität nach Europa drängen werden. Der EU-Markt ist zu groß und damit zu wichtig, um Kunden aus streng regulierten Sektoren und Behörden keine Angebote zu unterbreiten.