Marketplace-Macher Pax8 mischt den MSP-Markt auf

Auf dem ersten EMEA-Event Beyond in Berlin kannte das Selbstbewusstsein von Pax8 keine Grenzen, das Lob der rund 500 MSPs war groß. Pax8 sieht sich als führender Marketplace-Anbieter, der mehr kann als nur Software-Distribution. Die Strategie scheint aufzugehen, was eindrucksvolle Zahlen belegen.

Bauen an der MSP-Zukunft in EMEA mit: Pax8-Europachef Harald Nuij (li.) und Thorsten Oevel, Sales-Direktor DACH

Ja, er kenne Pax8 schon seit einigen Jahren, ist vom Marketplace der US-Firma mit Hauptsitz in Denver schwer beeindruckt. Maximilian Pfister, Geschäftsführer von Niteflite Networxx aus dem oberbayerischen Weilheim, ist einer von rund 100 deutschen MSPs, die sich die erste EMEA-Konferenz von Pax8 nicht entgehen lassen. 500 überwiegend Managed Service Provider waren zur Beyond 2024 nach Berlin gekommen, viele aus UK und den Niederlanden. Aber auch MSPs aus den USA und Asien waren da. "Beyond" ist mehr als nur eine Konferenz, "Beyond ist eine Bewegung", sagt Community-Chef Rob Rae. Nach Denver kommen jährlich über 3.000 Partner zur weltweiten Beyond. Pax8 reklamiert für sich die Blaupause der "Cloud Solution Revolution" zu haben, die man aktuell mit 37.000 MSPs in 46 Ländern teilt.

Hälfte der MSPs nicht profitabel

"Vor einem Jahr saßen wir in einem leeren Raum und stellten uns vor, was aus dieser Veranstaltung werden könnte, und jetzt ist es wirklich lohnend, die Energie, die Community und die Auswirkungen zu sehen", sagt Europa-Chef Harald Nuij. Vor drei Jahren wechselte der Niederländer zu Pax8, der 13 Jahre Distributionserfahrung von Also zum US-Softwaredistributor mitbrachte. Aber Halt: das Wort Distributor ist bei Pax8 quasi verboten. Obwohl Pax8 über die digitalen B2B-Plattformen Softwarelösungen von mehr als 130 Herstellern nur über den Channel verkauft, fällt nicht ein einziges Mal das Wort Distributor auf der Bühne. Was man hört: Community, Community, Community … .

Pax8 tritt an mit dem dezidierten Anspruch, ausschließlich den Akteuren aus der Managed Services-Branche verpflichtet zu sein. "Euer Erfolg ist unser Erfolg", dieser Satz fällt immer und immer wieder. Fast scheint es so, als bräuchte Pax8 Distributionsverträge mit Softwareherstellern nur darum, um das Geschäftsmodell MSP seiner Partner zur Perfektion zu entwickeln. Und das ist auch so.

Von den 1.700 Mitarbeiter bei Pax8 sind rund 200 mit Softwareentwicklung beschäftigt. Feedback und Anregungen der Partner versuchen sie in Code für die Plattform umzusetzen. Eine Gruppe von rund 10 MSPs trifft sich regelmäßig, um über Prozesse, Verfahren und Kosten zu diskutieren. Wer macht was, wie, mit welchem Ergebnis? Die Pax8-Akademie sorgt zudem für generelles Partner-Enabling, eine spezielle Microsoft Copilot-Integration leistet Hilfe bei technischen Herausforderungen. Das in Berlin vorgestellte neue Programm "Yoyager Alliance" will Partner befähigen, ein MSP zu werden. Es richtet sich Partner jeder Größe, vor allem aber an die Kernzielgruppe von Pax8, die kleinen und mittleren IT-Dienstleister.

Dieser Peer-Austausch einiger Akteure aber, den auch RMM-Anbieter wie N-able, Kaseya oder andere Plattformhersteller pflegen, ist dringender denn je. Pax8-Mitbegründer Ryan Walch, Channel-Chef und Chief Strategy Officer, legt ein Chart von Comptia auf: 46 Prozent aller MSPs haben 2023 nicht profitabel gearbeitet, so das Ergebnis der weltweiten MSP-Umfrage "2024 State of the Channel". Zwei Gründe neben vielen: Daten-Analyse der Kunden und Transaktionen – wichtig für das Cross- und Upselling – findet keine Beachtung. Der Katalog an Services ist statisch. "Kunden wollen nicht einfach nur ein Produkt kaufen", sagt Walch.

Man muss ihre Probleme adressieren, Lösungen vorschlagen, beraten und Angebote schnell unterbreiten können. Pax8 sammelt und analysiert alle Transaktionsdaten, die in seinem Partner-Ökosystem anfallen. Sie fließen in KI-Tools ein, die dem Vertrieb eines MSPs Defizite bei Kunden offenlegen und entsprechend Sales-Potentiale aufzeigen.

Automatisierung spart Zeit, senkt Kosten

Pax8 hat höchstes Interesse daran, den Dialog mit und zwischen der Community zu fördern, damit Partner auch viel mehr automatisieren, um Zeit und Kosten zu sparen. So wie Patrick Lenz. Der Chef des IT-Dienstleisters top.media hat rund 100 Kunden unter Vertrag. Die monatlichen Abrechnungen sind mitunter ein richtiger Zeitfresser, auch wenn jeder Distributor verspricht, dass seine Plattform manuelle Schritte im Rechnungsprozess überflüssig mache. Mit dem Marketplace von Pax8 spart Lenz im Monat 4 bis 6 Stunden Zeit. "Die Abrechnung ist sehr zuverlässig, wir vertrauen darauf und müssen weniger kontrollieren", sagt Lenz. Der Lenz? Ja, Patrick Lenz, der während der Corona-Pandemie mit seinem Format Live Bar Talk eine gewisse Channel-Prominenz erlangt hatte. Manche mögen sich erinnern.

Wie sehr Pax8 den Community-Gedanken lebt, konnte man in Berlin nicht nur "atmen", sondern direkt bemerken. In der Hersteller-Ausstellung waren zwar überwiegend gelistete Hersteller vertreten - mindestens die Hälfte aus der Security-Branche. Aber auch Watchguard war da, ein noch nicht mit Pax8 verbundener Hersteller. Ja, man sei auch offen gegenüber Anbietern, die man noch nicht im Portfolio führe, sagt EMEA-Chef Nuij im Gespräch mit CRN.

Über den Wolken Berlins: Thorsten Oevel, Sales-Direktor DACH Pax8 und Christoph Twiehaus, Gastgeber des 7-Uhr-Frühstücks von IAMCP, sorgen für Community-Building

Die Mission Community-Building von Pax8 geht so weit, dass man auch Gäste vom Distributionswettbewerb nicht ausschließt, wovon sich CRN überzeugen konnte. Auf der Beyond sahen wir Mitarbeiter von Elovade und trafen Jörn Beckmann und Michel Seemann von Comteam. Das Netzwerk Comptia war da, ebenso die IAMCP-Vorstände Christoph Twiehaus und Carlo Dannies, die zur unchristlichen Zeit vor Sonnenaufgang zum Frühstück in den 14.Stock des Interkontinental luden. Potenzielle 35 neue Partner nahmen am Meeting mit fantastischem Ausblick auf die Skyline der Bundeshaupstadt teil, einige kamen vielleicht direkt von der MSP-Party.

Wie sich Pax8 entwickelt

Wohin geht die noch vergleichsweise junge Reise von Pax8, wie sieht generell die Zukunft in 10 oder 15 Jahren aus, die, da hat Pax8-CEO und Seriengründer Scott Chasin überhaupt keinen Zweifel, eine KI-basierte sein wird.

Pax8 wurde 2012 zu Beginn des Distributionsvertriebs über digitale Marktplätze gegründet. Während sich Broadliner teils durch Akquisitionen (Ingram Micro kaufte Parallels für 500 Mio. US-Dollar) Kompetenzen und Entwickler für den Aufbau einer Plattform ins Haus holten und ihr Produktgeschäft weiter betrieben, hat sich Pax8 von Anfang an auf Softwarevertrieb über seinen Marketplace konzentriert. Die X-as-a-Service- und MSP-Welle kam dem Unternehmen aus Denver zugute, machte Investoren auf Pax8 aufmerksam. Einer von vielen Meilensteinen: Der Einstieg der Investoren Catalyst Investors, Sageview Capital, Blue Cloud Ventures, Liberty Global Ventures und zuletzt 2022 Softbank mit 185 Mio. US-Dollar.

Offizielle Zahlen, die zeigen, warum Pax8 zu einem der am schnellsten wachsenden US-Unternehmen zählt: Im April 2022: Pax8 ist 1,7 Mrd. Dollar wert, hat 20.000 MSPs, die über den Marktplatz 200.000 meist SMB-Kunden erreichen. 2024 sind es 37.000 MSPs, die rund 600.000 Kunden bedienen. Der Unternehmenswert dürfte rasch gestiegen sein, wenn man auf die jährlich wiederkehrenden Einnahmen (ARR) – das Maß aller Dinge für die Bewertung – blickt. 1 Mrd. ARR bestätigte ein Unternehmenssprecher 2022 gegenüber der Channel-Presse. "Wir erzielen einen Umsatz von 2 Mrd. US-Dollar", so das Update von Harald Nuij gegenüber CRN. Und das überwiegend aus "organischem Wachstum".

EMEA-Chef Harald Nuij: Pax8 erzielt 2 Mrd. US-Dollar Umsatz, 1.000 Hersteller sind in der Pipeline und wollen auf dem Marketplace von Pax8 gelistet werden

Rund 1.700 Mitarbeiter arbeiten für Pax8, 400 in Europa, drunter rund 29 in Deutschland. Viele Top-Manager sind in der letzten drei Jahren zum Unternehmen gestoßen. Thorsten Oevel treibt seit Mai dieses Jahres das Geschäft mit MSPs hierzulande voran. Seine fast 19 Jahre Microsoft-Erfahrung kommt Pax8 zugute. Neben Crowdstrike dürfte vor allem Microsoft für ordentlich Umsatz über die Pax8-Marktplätze sorgen. Rund 60 Hersteller verkaufen global über Pax8, insgesamt sind es mehr als 130 im Portfolio.

Und die Liste der Vendoren ist lang, sehr lang, die vor der Türe von Pax8 stehen. "Wie haben eine riesige Pipeline. Rund 1.000 Hersteller. Wir überstürzen aber nichts, nehmen uns die Zeit, die für eine Aufnahme neuer Hersteller und deren reibungslose Integration nötig ist", sagt Nuij. Partner, die einen Hersteller im Pax-Portfolio vermissen, schauen sich die technischen Experten von Pax8 genau an. Fällt ihr Urteil positiv aus, geht die Integration dank Schnittstellenanbindung recht schnell. Das wird vor allem Hornetsecurity freuen. Die Hannoveraner zählen hierzulande viele MSPs, wachsen aktuell sehr schnell, wie CRN aus der Distribution hört. Sie wollen offenbar und sollten, wenn es nach Pax8-Partnern geht, im Marketplace von Pax8 vertreten sein.

Visionärer CEO Scott Chasin: Erst KI-basierte Agenten, später EAI-Management

"Die Zukunft ist hier und sie startet jetzt". Dieser Satz, mit dem typischen Video erwachender Städte unterlegt, zeigt eine Welt von Morgen und Übermorgen. Er fällt so oder ähnlich zur Einstimmung auf jeder Konferenz eines US-amerikanischen Technologieunternehmens.

Pax8 macht da keine Ausnahme - der American Dream darf auch nicht fehlen. CEO Scott Chasin betritt die Bühne: "Jedes Geschäft startet mit einem Traum". Seriengründer Chasin will ihn Realität werden lassen, und manch einer im Saal wünscht, dass die KI-Zukunft ein Traum bleibt, die der Pax8-Chef da an die Wand wirft. Das MSP-Geschäft, hochgradig automatisiert, würde autonom laufen: KI-basierte Agenten des MSPs verkaufen an Agenten des Kunden Software.

"MSPs werden Agent-Management-as-a-Service anbieten", so Chasin. "Und sie werden untereinander Ressourcen in einem globalen Netz austauschen". So viel zur mittleren Sicht, die der CEO bis 2030 erwartet.

Pax8-CEO Scott Chasin: "AI ist die größte Revolution in der Menschheitsgeschichte"

Auf lange Sicht, 10 Jahre und mehr, wird es Embodied Artificial Intelligence (EAI) geben, also die physische Manifestation künstlicher Intelligenz in Robotern, bezahlbar und für den Massenmarkt entwickelt. "Die drei wertvollsten Dinge wird man dann so aufsagen: Mein Haus, mein Auto, mein Roboter", so Chasin. Statt einer heutigen RMM-Plattform bräuchten KI-Dienstleister dann RRM – Remote Robotic Management". Zur Untermauerung seiner Prognose, dass wir Zeugen der "größte Revolution in der Menschheitsgeschichte" sind, blendet Chasin das Visual der Pax8-Konferenz Beyond im Jahr 2064 ein. Rob Rae, zum ewigen Community-Chef berufen, ist da schon, wenn überhaupt, ein sehr alter Mann. Sein Avatar versprüht aber immer noch die Energie wie vor 40 Jahren auf der ersten EMEA-Beyond in Berlin.