Marke und Schulungsgeschäft von Comptia in Investorenhand
In über 20 Jahren ist die Non-Profit-Organisation Computing Technology Industry Association (Comptia) zu einem der größten Zertifizierungs- und Schulungsanbieter geworden. Das ist Investoren nicht entgangen, die jetzt das lukrative Schulungsgeschäft und die Marke Comptia übernehmen. Und sie haben das vor, was Investoren halt so machen: bisher dem Markt entzogenes Geschäft kommerzialisieren. Was bleibt von der gemeinnützigen Verbandsarbeit?
Diese spektakuläre Entwicklung dürfte das Hauptgesprächsthema auf dem zweitätigen Comptia DACH-Community-Treffen sein, das am Donnerstag in Eppstein bei Wiesbaden startet (CRN berichtete). Der noch junge Ableger des Netzwerks aus den USA ist erst seit rund 2 Jahren verstärkt in DACH tätig und steht nun vor einem grundlegenden Umbau der gesamten Organisation. Als Partner die Meldung von Comptia in den USA gestern lasen, stellten sie sofort viele Fragen, die die offizielle Pressemitteilung nicht beantwortet. Die wichtigste Frage: Was bleibt vom Community-Gedanken einer gemeinnützigen, von Partnern für Partner getragenen Organisation noch übrig, wenn Private Equity übernimmt?
Denn H.I.G. Capital und Thoma Bravo übernehmen die Marke und Produkte der Comptia. Herzstück der vor über 20 Jahren in den USA gegründeten Computing Technology Industry Association: Das Zertifizierungs- und Schulungsgeschäft. Dazu gehören Tausende von akademischen Einrichtungen, gemeinnützige Organisationen, Job-Corps-Center und andere Organisationen, "die sich auf die Entwicklung und Zertifizierung der nächsten Generation von Technologietalenten konzentrieren", schreibt Comptia. "Als größtes herstellerneutrales Zertifizierungsprogramm für Technologiefachkräfte hat Comptia über 3,5 Millionen weltweit anerkannte Zertifizierungen an Fachleute aus allen Technologieunternehmen vergeben", klingt es geradezu nach einer Aufforderung, diesen enorm wichtigen und über Jahrzehnte gewachsenen Sektor nicht länger von einer gemeinnützigen Organisation bestellen zu lassen, sondern ihn in die Marktwirtschaft zu entlassen und unter Führung von Managern zu stellen, die den lukrativen Schulungsmarkt und hohe Renditen vor Augen haben.
Und dieser Markt - Förderung des Branchenwachstums und der Kompetenzentwicklung im globalen IT-Ökosystem - ist nach Angaben von Comptia riesengroß: 5 Billionen US-Dollar, 38 Millionen Fachleute und allesamt potenzielle Kunden.
"Wir freuen uns sehr über den Zusammenschluss mit zwei führenden, erfahrenen Investoren im Technologiebereich, deren Fachwissen und Ressourcen es uns ermöglichen werden, unseren Einfluss auf die globale IT-Branche auszuweiten", kommentiert Todd Thibodeaux, Präsident und CEO von Comptia den Deal. "Durch diese Transaktion sind wir gut positioniert, um die Einführung von Produkten und Dienstleistungen zur Ausbildung der hochqualifizierten Arbeitskräfte der Zukunft zu beschleunigen und zu erweitern und unseren Ruf als führender Anbieter von Zertifizierungen und Schulungen in der gesamten Branche weiter zu stärken", sagt der jetzige Verbandschef und klingt doch schon wie der künftige Manager-CEO, wenn die Übernahme zum Jahresende perfekt sein wird. Ein Kaufpreis wurde übrigens nicht genannt. Genau von diesem wird aber Zukunft der Community, also des Netzwerks von und für Partner, abhängen.
Bisher finanzierte sich dieser Teil von Comptia hauptsächlich durch die Erlöse aus dem Schulungsgeschäft, der nun samt Markenrechte an Comptia verkauft wurde. Wie es mit der Community weitergeht, wurde in der Pressemitteilung zwar genannt, verstanden hatten die Partner das Konstrukt aber nicht, das Scott Barlow, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Comptia, kurz erwähnte: "Diese Transaktion wird es dem Verband ermöglichen, seinen Service für die globale IT-Branche zu erweitern und gleichzeitig ein neues, umfangreiches Engagement für wohltätige Zwecke zu leisten".
Was damit genau gemeint ist, musste MJ Shoer, der Chef der Comptia-Community, per Linkedin-Post verwirrten Partnern erklären. Dieser gemeinnützige Teil der Partnervernetzung bleibe bestehen, müsse sich aber einen neuen Namen suchen. Finanziert werde diese Verbandsarbeit nicht mehr aus den Einnahmen von Schulungen und Zertifizierungen, sondern es werde eine Stiftung aus den Mitteln des Verkaufserlös gegründet, die den Jahreshaushalt des Verbands finanzieren werde. "Das Cybersecurity Trustmark und alle bestehenden Mitgliedervorteile und -programme bleiben in ihrer jetzigen Form erhalten", sagte Shoer.
Zudem soll künftig mehr Geld für wohltätige Spenden fließen. Man wolle sich auf "philanthropische Möglichkeiten konzentrieren, die unserer Branche und der Gesellschaft helfen", so der Community-Chef von Comptia.