KI in Deutschland: "Aktuell treten wir auf der Stelle"
Laut Cisco-Studie "KI-Readiness" rutscht Deutschland im europäischen Vergleich auf Mittelmaß ab. Wie kann das sein? Wo doch die KI-Investitionen steigen und fast jedes Unternehmen hierzulande eine KI-Strategie hat bzw. dabei ist, eine auszuarbeiten?
Es kann so nicht weitergehen. Man muss jetzt raus kommen aus dem Stillstand, einer Strategie folgen, endlich mutig investieren, um wieder Wachstum anzukurbeln, Produktivität zu steigern und wieder wettbewerbsfähig zu werden. Das politische Berlin hat aus Deutschland eine lahme Ente gemacht, und so in etwa schaut der aktuelle Lagebericht für die Zukunftstechnologie künstliche Intelligenz aus, wenn man sich die Studie "KI-Readiness" von Cisco anschaut. Gemeinsam ist der Politik und der Technologie eines: es gibt ja durchaus Positives zu berichten.
Bleiben wir bei KI und nennen das Highlight, das Christian Korff, Mitglied der Geschäftsführung von Cisco Deutschland und Leiter der Bundesfachkommission "Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0" vom Wirtschaftsrat der CDU so sieht: "Deutschland ist beim Thema KI Europameister - in der Planung. Da gibt es gute Fortschritte."
Korff meint nicht den 100 Mrd. schweren Deutschland- Fonds ("mit viel Luft nach oben"), den der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz ankündigte. Er blickt vielmehr auf jene 95 Prozent der deutschen Unternehmen, die KI für ganz wesentlich halten und auch schon Strategiepläne in der Tasche haben oder sie demnächst fertig stellen. Zeitenwende: auf dem Reißbrett hat sie jedes Unternehmen festgehalten, doch Papier ist vor allem eines - geduldig. "Von Powerpoint-Folien allein ist noch keine KI-Strategie erfolgreich geworden. Wir müssen vor allem im Bereich der Infrastruktur und Rechenzentren aktiver weden in Deutschland, aber auch bei der Aufbereitung und Nutzung von Daten", stellt Korff das wesentliche Defizit fest. Auf die Umsetzung komme es an, so der Cisco-Manager.
Cisco befragte für seine Studie "KI-Readiness" 8.000 IT-Führungskräfte in 30 Ländern, 300 aus Deutschland machten mit. Wo Deutschland gegenüber anderen Volkswirtschaften bei KI steht, ist somit für den Augenblick dokumentiert. Zurückgefallen, aber nur leicht, so die Studie mit Blick auf den KI-Readiness-Index: Nur noch 6 Prozent der Unternehmen sind optimal auf KI vorbereitet, ein Prozentpunkt weniger als vor einem Jahr. Für Korff ist ein KI-Stillstand ein faktischer Rückschritt, den man sich in Deutschland nicht leisten könne. "Aktuell treten wir auf der Stelle".
Deutschland in Europa nur noch Mittelmaß
Bezogen auf die Spitzengruppe der Schrittmacher, die als vollständig vorbereitet auf KI gelten, ist Deutschland in Europa vom dritten auf den sechsten Rang abgerutscht. Großbritannien liegt mit 10 Prozent vorne, gefolgt von Italien und Spanien (beide 9 Prozent), Spanien (9%) der Schweiz (8 Prozent) und den Niederlanden (7 Prozent). Fasst man die ersten beiden Kategorien zusammen (Schrittmacher und Verfolger, liege Deutschland aber weiterhin auf dem dritten Platz (35 Prozent), hinter Großbritannien (47 Prozent) und Spanien (40 Prozent).
Erfolgsdruck steigt – doch Investitionen bleiben hinter Erwartungen zurück
Zur Steigerung der internationalen Konkurrenzfähigkeit bleibe laut Cisco nur wenig Zeit. 47 Prozent der Deutschen glauben, dass sie ihre KI-Strategie innerhalb eines Jahres umsetzen müssen. Sonst rechnen sie mit erheblichen negativen Auswirkungen auf ihr Geschäft. 84 Prozent sehen hier einen Zeitraum von höchstens 18 Monaten.
Entsprechend setzen Unternehmen erhebliche Ressourcen für KI ein. 42 Prozent der Unternehmen investieren aktuell zwischen 10 und 30 Prozent ihres IT-Budgets in KI. In den nächsten vier bis fünf Jahren planen 19 Prozent der Unternehmen sogar mehr als 40 Prozent ihres Budgets für KI bereitzustellen. Dies ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den 2 Prozent, die das heute bereits tun.
Die KI-Investitionen verteilen sich der Cisco-Studie fast gleichwertig auf drei strategische Bereiche: Im Bereich Cybersicherheit (37 Prozent) setzen die meisten Unternehmen bereits KI ein, gefolgt von IT-Infrastruktur (35 Prozent) und Datenanalyse (35 Prozent). Zu den wichtigsten Investitionszielen gehören dabei höhere Effizienz und Produktivität (48 Prozent), Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit (43 Prozent) sowie verbesserte Kundenerfahrung und -zufriedenheit (45 Prozent).
Es herrscht also aktuell durchaus ein freundliches Investitionsklima für KI, aber wie lange noch, wenn der Nutzen von KI weiter so nebulös ist. Denn 4 von 10 Befragten geben an, dass trotz ihrer Aufwendungen die Investitionen keine oder unter ihren Erwartungen liegende Erfolge erziele. Dies gilt insbesondere für die Verbesserung, Unterstützung oder Automatisierung von Prozessen.
Probleme bei der Infrastruktur
In Sachen Infrastruktur steht Deutschland im europäischen Vergleich gut da, hat aber dennoch niedrige Werte. Mit 36 Prozent ist Deutschland hinter Großbritannien am zweitbesten auf die Infrastrukturanforderungen von KI vorbereitet. Nur 14 Prozent der deutschen Unternehmen aber würden über die erforderlichen Grafikprozessoren verfügen, um den aktuellen und künftigen KI-Anforderungen gerecht zu werden. Lediglich 20 Prozent können Daten in KI-Modellen mit End-to-End-Verschlüsselung, Sicherheitsaudits, kontinuierlicher Überwachung und sofortiger Reaktion auf Bedrohungen schützen. Diese Lücken seien den Deutschen bewusst: 42 Prozent stufen die Verbesserung der Skalierbarkeit, Flexibilität und Verwaltbarkeit ihrer IT-Infrastruktur als oberste Priorität ein, berichtet Cisco.
Qualifizierte Fachkräfte fehlen
In der von Cisco abgefragten Kategorie Fachpersonal verzeichnen deutsche Unternehmen laut Studie einen starken Rückgang in der "KI-Readiness" im Vergleich zum Vorjahr von 47 auf 40 Prozent. Somit rutscht Deutschland vom zweiten auf den dritten Platz in Europa. Gleichzeitig erhöht die Führungsebene den Druck auf die Mitarbeitenden, KI-Technologien zu implementieren. In fast der Hälfte der deutschen Unternehmen geht die Initiative von CEO und Geschäftsführung aus, bei mehr als einem Drittel vom mittleren Management.
Die größte Herausforderung bleibt dabei der Mangel an qualifizierten Fachkräften. In diesem Jahr geben nur 24 Prozent der Unternehmen an, dass sie über sehr gute Ressourcen und die richtigen MitarbeiterInnen für den erfolgreichen Einsatz von KI verfügen, so Cisco.
Governance und Daten: Deutsche Unternehmen abgeschlagen
In den anderen abgefragten Bereichen sind die Ergebnisse ebenfalls ernüchternd: So ging laut Cisco der Anteil deutscher Firmen, die gut oder sehr gut auf die Datenanforderungen von KI vorbereitet sind, von 31 auf 30 Prozent zurück – Platz 4 in Europa. Obwohl Daten die Basis für sämtliche KI-Aktivitäten bilden, gibt es in diesem Bereich die meisten Nachzügler (22 Prozent). In 88 Prozent der Unternehmen sind Daten nur fragmentiert oder in Silos gespeichert.
Bei Governance reduzierte sich der Anteil den beiden fortgeschrittenen Gruppen - Schrittmacher und Verfolger - sogar von 35 auf 30 Prozent, was Platz 5 in Europa bedeutet. Das zeige sich in der langsamen Einführung von KI-Richtlinien: Drei von vier Unternehmen besitzen noch keine umfassende KI-Governance.