Hoffnungsträger Künstliche Intelligenz oder doch Rationalisierungsmaschine?

Fürstliches Gehalt ohne Arbeit? Als KI noch nicht in aller Munde war, ging das bei einem Programmierer sehr gut. Nun aber kennt jeder Chef die Macht der KI, aber man ist sich uneins über die Folgen. Muss man Angst um seinem Job haben, Angst vor technologisch Neuem? “Nein”, sagt Andre Kiehne.

In seinem Buch stellt Andre Kiehne den Menschen in den Mittelpunkt des technologischen Wandels. Er beschreibt, wie die einzigartigen menschlichen Fähigkeiten – Kreativität, Intuition, Empathie – durch Technologie ergänzt und verstärkt werden können.

Die Geschichte eines IT-Helden, der die Füße hochlegt, 90.000 US-Dollar Jahresgehalt kassiert und seine Arbeit bei einer Rechtsanwaltskanzlei einem von ihm programmierten Script überlässt, das eine fallbezogene Dokumentenzusammenführung vollständig automatisiert ausführt, geistert immer wieder einmal durchs Netz. Ohne Wissen seines Chefs, damals zumindest. "Throwaway59724" hat sie auf Reddit vor einigen Jahren öffentlich gemacht und wurde von der Community viel gefeiert. Tenor: 'Selber schuld, wenn der Chef keine Ahnung von Automatisierung hat'.

Im Januar 2022 ging das Posting schnell viral, 10 Monate vor der Veröffentlichung von Chat GPT, das fortan den Hype um künstliche Intelligenz entfachte. Und mit ihr die Diskussion, ob KI Jobs gefährdet und ganze Berufszweige obsolet werden lässt.

Jobs in Gefahr?

In den Chefetagen wird seit geraumer Zeit nachgedacht, wie viele solcher "Throwaway59724" durch KI ersetzt werden könnten. Die Quittung für technologische Unwissenheit, das Nichtstun cleverer IT-Fachkräfte zu entlohnen, wird kein Chef mehr hinnehmen. Jeder weiß inzwischen, dass KI ein mächtiges Tool ist, das die Arbeitswelt grundlegend verändern wird. Ob KI in Summe mehr Jobs abbaut als neue Berufszweige etabliert und damit neue Jobs entstehen, darüber sind sich die Unternehmenslenker uneins, wie aus einer aktuellen Befragung des Bitkom hervorgeht.

15 Prozent der rund 850 befragten Unternehmen gehen davon aus, dass es durch KI-Einsatz zu einem Stellenabbau bei IT-Fachkräften kommt, so die Ergebnisse des Panels. 20 Prozent rechnen damit, dass KI Stellen ersetzt, für die sich ohnehin niemand finden lässt. Umgekehrt sagen 38 Prozent, dass KI für einen zusätzlichen Bedarf an IT-Fachkräften im Unternehmen sorgt.

Fachkräftelücke schließen

"Angesichts des strukturellen Fachkräftemangels und der absehbaren demographischen Entwicklung ist KI keine Bedrohung für den Arbeitsmarkt in der IT. KI ist eine Chance, die Fachkräftelücke zumindest teilweise zu schließen", ist Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst überzeugt. Der Einsatz von KI KI könne helfen, dass IT-Projekte und -Aufgaben in Deutschland umgesetzt und gehalten werden, für die es ansonsten hierzulande keine Kapazitäten geben würde.

In jedem Fall wird KI starke Auswirkungen auf IT-Berufe haben. So geht ein Drittel (34 Prozent) davon aus, dass neue Berufsbilder entstehen, wie etwa KI-Trainer oder Prompt Engineer. Auf der anderen Seite werden nach Ansicht von rund einem Viertel (27 Prozent) einzelne IT-Berufe und -Berufsbilder künftig weitestgehend durch KI ersetzt und damit verschwinden.

Knapp ein Fünftel (18 Prozent) sagt zudem, dass IT-Fachkräfte ohne KI-Wissen in Zukunft kaum mehr nachgefragt werden. 44 Prozent der Unternehmen gehen der Bitkom-Studie zufolge davon aus, dass KI die Produktivität in der IT erhöht, weil Beschäftigte von Routineaufgaben entlastet werden. Genau das dachte sich "Throwaway59724", als er Software für sich arbeiten ließ.

Lesetipp: "Digital Leadership Culture" von Andre Kiehne

Produktivität steigern, indem Mitarbeiter von Routineaufgaben entlastet werden: das ist ein so logischer wie viel Sprengkraft bergender Aspekt. Denn in vielen Fachabteilungen herrscht die blanke Angst, ersetzbar und überflüssig zu werden. Andre Kiehne erlebt es in vielen seiner Workshops, die er zum Thema Digitalisierung und KI in Unternehmen durchführt. Da ist ein Mitarbeiter, ein Experte für Prozesse und Organisation und damit ein wichtiger Leistungsträger, der aber gegen diesen Workshop, gegen eine Lösung, gegen die Einsicht ist, dass sein Unternehmen ein handfestes Problem hat, kurzum: er ist gegen alles.

"Er hatte Angst um seinen Job. Angst, nicht mehr gebraucht zu werden, Angst, die Kontrolle zu verlieren", schreibt Kiehne, 25 Jahre in Führungspositionen in der IT-Branche, zuletzt in der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland.

Wie holt man aber genau diese Wissensträger auf seine Seite und schafft ein Umfeld für Wissensteilung, für Transformation, für Digitalisierung? In seinem neuen Buch "Digital Leadership Culture" (Haufe) geht der Manager diesen Fragen auf den Grund und zeigt aus seiner praktischen Erfahrung, wie es gehen kann. Ohne die Menschen in Veränderungsprozesse mitzunehmen, wird die beste Technologie nur wenig Potenzial entfalten, letztlich vielleicht sogar scheitern. Technologie, Unternehmen und Menschen erfolgreich machen: Kiehne nennt Risiken und Chancen. Das macht sein Buch so interessant und lehrreich vor allem für Führungskräfte.