Computacenter Deutschland-Chef: "Deutsche Wirtschaft sitzt auf einem Digitalisierungsstau"

Bernd Charpentier ist seit Jahresanfang neuer Sprecher der Geschäftsführung Computacenter Deutschland. Ist man mit rund 120 Kunden in Deutschland zukunftsfähig aufgestellt? Warum läuft das Managed Service-Geschäft für Computacenter schleppend? Welches Potenzial birgt KI?

KI ist auch für Computacenter ein Treiber des Geschäfts. "Wir werden wieder mehr On-Premise-Installationen sehen", sagt Bernd Charpentier.

Doppelte Premiere für den seit Jahresanfang neuen Computacenter-Chef Deutschland und CRN: Erstmals trafen sich Bernd Charpentier und Channel-Magazin zum persönlichen Austausch, erstmals für beide in den neuen Geschäftsräumen im Münchner Westen, ganz in der Nähe der deutschen Hauptzentrale von TD Synnex. Die Führung durch die große CC-Etage im Bürokomplex Tölzerstraße 1 zieht sich etwas, denn viele Mitarbeiter begrüßen Bernd herzlich, der herzlich jede und jeden mit ein paar freundlichen Worten begrüßt und lacht. Dreimal Lachen täglich, das ist die Mindestdosis rheinländischen Frohsinns für einen Kölsche Jung wie Charpentier. Da steht er seinem Vor-vor-Gänger Oliver Tuszik, ebenfalls Kölner, in nichts nach.

Außerdem kennt Charpentier viele der rund 7.000 Beschäftigten bei Computacenter Deutschland. Kein Wunder, 27 Jahre ist der 55-Jährige dabei, der als Sales Trainee 1997 beim IT-Dienstleiter einstieg und die Karriereleiter nach und nach höher stieg. 2020 dann bot sich Charpentier für Höheres an. "Der deutsche Public Sector wurde viele Jahre intern in der Computacenter-Gruppe immer als Sector of the Year ausgezeichnet. Bis auf 2020, da hat das Rennen der Sector West gemacht". Direktor dieser BU: Bernd Charpentier. Rainer Louis schlug ihn zu seinem Nachfolger als Sprecher der Geschäftsführung vor, CEO Mike Norris, sage und schreibe 40 Jahre bei Computacenter, davon seit 30 Jahren CEO, gab seinen Segen.

Ist von den Top-Systemhäusern hierzulande die Rede, gehört die britische Computacenter- Gruppe, rund 22.000 Mitarbeiter und 8 Mrd. Euro Umsatz, davon 2,6 Mrd. Euro in Deutschland, freilich dazu. Das Geschäftsmodell steht ähnlich wie bei anderen Branchenriesen auf drei Säulen: IT-Handel, Beratung- und Systemintegration, Managed Services. Mit dem Unterschied aber, dass Computacenter sich als IT-Dienstleister auf den gehobenen Mittelstand und große (Bundes)-Behörden konzentriert. Kunden, die man unterhalb des gehobenen und oft global gierenden Mittelstands in die Segmente KMU/SMB oder SoHo einteilt, überlässt Computacenter den Wettbewerbern. "In Deutschland erzielen wir 90 Prozent unseres Umsatzes mit rund 120 Kunden", sagt Charpentier. Der Trend zur Digitalisierung und bald KI biete genügend Potenzial. "Wir wollen und können mit unseren Bestandskunden wachsen, das ist uns gut gelungen. Natürlich gewinnen wir auch Neukunden dazu".

"Wir sollten nicht alles schwarzsehen"

Bei allen Unterschieden in der Kundenfokussierung eint die Systemhausbranche eines: Das Schlussquartal kann entscheidend sein, wie die Jahresbilanz ausfällt. Ob die Wachstumskurve für Q4 in diesem Jahr wegen der schwachen Konjunktur hierzulande eher flach wird, kann man aktuell noch nicht abschätzen. Dass die deutsche Wirtschaft und auch Behörden "auf einem Digitalisierungsstau" sitzen, wie Charpentier beobachtet, sagt nicht nur er. Wann er sich auflöst? "Ich bin für das 4. Quartal positiv gestimmt", so der optimistischer Computacenter-Chef. Der übrigens auch ganz allgemein in Richtung jener Pessimisten spricht, die Deutschland attestieren, schon kurz vor der Deindustrialisierung zu stehen. "Wir sollten nicht alles schwarzsehen", sagt er.

Probleme bei Managed Services

Was freilich nicht heißen soll, dass sich Charpentier nicht mit Problemen befasst. Im Gegenteil, das das muss er. Denn bei Managed Services, die eigentlich in der Branche sehr gut wachsen und laut Charpentier "der Trend zu kleineren Managed Services im Sector Public angekommen" sei, läuft des bei Computacenter in dieser Sparte nicht rund. Die Umsätze stagnierten zuletzt. Dazu der Chef: "Wir haben zwei schwierige Managed Services-Verträge, die sich nicht so entwickeln, wie wir geplant haben".

Was nichts anderes bedeuten kann, dass sich der IT-Dienstleister hier verkalkuliert hat und wohl auch drauflegt. Charpentier will das nicht näher ausführen, stellt aber klar, dass Verträge nun mal einzuhalten sind. "Wir bleiben hier dran und erfüllen unsere Verpflichtungen. Computacenter ist noch nie aus einem Vertrag vorzeitig ausgestiegen", so Charpentier Der Imageschaden wäre wohl auch zu groß. Wer außerdem mit fast ausschließlich Großkunden wachsen will, macht bei einem verpatzten Outsourcing-Del besser keinen Rückzieher.

KI: "Wir werden wieder mehr On-Premise-Installationen sehen"

Die nächste Innovationswelle steht quasi vor der Türe: künstliche Intelligenz. "Auf Kundenseite erhalten wir viele Nachfragen und da geht es auch um sensible Daten wie Patente", berichtet Charpentier. Man gehe bei diesem Thema anders als andere Dienstleister vor, kaufe nicht Tausende von Microsoft Copilot-Lizenzen für Mitarbeiter, sagt der Chef von Computacenter. "Wir reden mit Kunden erst über Security und Governance, über die enormen Risiken, die entstehen können, wenn Daten aus dem Web mit Unternehmensdaten verknüpft werden und sich möglicherweise selbständig machen. Es wäre ein großer Fehler, sich hier in falscher Sicherheit zu wähnen".

Nun kann man darüber streiten, ob sensible Unternehmensdaten sicherer vor Missbrauch sind, wenn sie, statt als in den Rechenzentren der Hyperscaler, auf eigenem Blech verwahrt werden. Letzteres könnte ebenfalls eine Sicherheit nur suggerieren. Jedenfalls ist Charpentier überzeugt, dass nicht alle Daten in die Cloud von Drittanbietern gehen würden. "Wir werden wieder mehr On-Premise-Installationen sehen", sagt er. Das würde Computacenter und allen Systemintegratoren in die Hände spielen. Schließlich macht "Technology Sourcing", wie das Hardwaregeschäft beim Anbieter heißt, einen Anteil von mehr als 75 Prozent aus.

Globale Liefer- und Logistikfähigkeit in mehr als 70 Ländern sowie die "Professional Services", die Charpentiers Vorgänger Rainer Louis konzernweit ausbaut, ist eine der Stärken von Computacenter.