"Channel und KI First": Nfon drückt den Reset-Button
300 Partner kamen zum Treffen von Nfon nach München. Der Cloud-Telefonie-Anbieter stellte seine Strategien der Zukunft vor. CEO Patrik Heider sparte nicht mit Eigenkritik: Eine neue Transparenz zieht bei Nfon ein und ein Geist der Innovation.
So viele Veränderungen wie in den letzten eineinhalb Jahren gab es bei Nfon, 2007 gegründet, noch nie. In der Vergangenheit war der Cloud-Telefonie-Anbieter eher durch regelmäßige Chef-Wechsel aufgefallen, so dass keiner der Kurzzeit-CEOs nachhaltige Weichen hatte stellen können. Warum auch? Es lief gut mit zweistelligen Wachstumsraten. Diese Zeiten sind seit 2019 vorbei, der Wettbewerb ist härter geworden, die Pandemie mit dem Boom von Videokonferenzanbietern hatte Nfon eher verunsichert, ob man neben Telefonie für B2B-Kunden nicht auch Videokommunikation und überhaupt Collaboration einführen sollte.
Jahre der Stabilität und KI-Innovation beginnen
Nun führt seit Anfang 2023 Patrik Heider das Ruder und die gute Nachricht: Neben sehr notwendigen personellen, technischen und vertrieblichen Maßnahmen, die er traf und immer noch immer trifft, ist Heider angetreten, um länger zu bleiben. "Mein Vertrag läuft noch eineinhalb Jahre und ich werde sehr gerne dabeiblieben, wenn das der Aufsichtsrat begrüßt", sagt der Nfon-Chef im Talk mit CRN auf der Bühne vor knapp 300 Partnern, die sich am Montag in München zum Partner Day trafen.
Es täte Nfon, seinen Vertriebspartnern und Distributoren sehr gut, wenn das "Jahr der Transformation" (Heider) in Jahre der Stabilität (Plattform, Organisation und Personen) übergingen und man mit Innovationen und Ambitionen wieder an zweistellige Wachsraten anknüpfen könnte. 40,1 Mio. Euro Umsatz hatte Nfon im ersten Halbjahr 2024 erzielt, ein Plus von 4,4 Prozent. Das bereinigte Ebitda stiegt um über 60 Prozent auf 5,5 Mio. Euro, es könnte für 2024 bis auf 12 Mio. Euro steigen, so die Prognose. Fast die gesamten Einnahmen sind wiederkehrende Umsätze.
Neue Spitze im Sales bei Nfon – Reset-Button "Channel First"
So gab es zum Auftakt der Partnerkonferenz zwei personelle Neuigkeiten. Alexander Wettjen tritt im Dezember als neuer VP Group Sales an und wird den Vertrieb einschließlich Marketing für alle europäischen Länder leiten. Der in Unterhaching bei München wohnhafte Manager hatte fünf Jahre für Sixt gearbeitet, wo er für den internationalen Sales verantwortlich war. Mehr als fünf Jahre war er für Telefonica tätig, zuletzt als "Head of Direct Sales". Er stellte sich der Presse und Partnern auf dem Partner Day vor, und Wettjen weiß, wo er ansetzen muss.
Sales ist bei Nfon Partner-Sales: Mehr als 90 Prozent der Erlöse erwirtschaften Partner. Die Hälfte davon geht auf das Konto großer Carrier, Telefonica, Deutsche Telekom, 1&1, die andere Hälfte steuern große wie kleine Partner bei. Nfon ist eine Channel-Company – "Customer Centricity" ist "Partner Centricity". Um so erstaunlicher, dass Partner in der jüngsten Vergangenheit nicht mehr das Committment spürten, das jedes Channel-Ökosystem braucht und trägt. Enger Austausch, Betreuung vor allem im Pre-Sales, regelmäßiges Feedback der Partner, transparente und schnelle Kommunikation, wenn es mal hakt. Vor allem aber muss jeder Hersteller den Partnern eine Vision aufzeigen, wo die gemeinsame Reise hingeht und wie man Ziele erreichen will.
Der Partner Day in München ist wie geschaffen, dem Nfon-Channel wieder eine klare Orientierung zu geben. Oder, wie Heider es ausdrückt, "den Reset-Button zu drücken". Personelle Weichen sind gestellt. Wettjen kommt in zwei Wochen an Bord, Jennifer Fritsch, zuvor Head of Alliance Partner Management, übernimmt die Rolle Head of Sales Germany und ist nun für den Vertrieb in Deutschland verantwortlich. Sie will dafür sorgen, dass die Partner eine starke Stimme in der Organisation von Nfon bekommen. Der Partnerbeirat, dem auch Distributoren angehören, wird somit gestärkt. "Als Team setzen wir auf die Kraft der Zusammenarbeit, die der Ursprung unseres gemeinsamen Wachstums und Teil unserer DNA ist", sagt sie. Ihr 10-Jähriges wird sie nächstes Jahr bei Nfon feiern.
Aus Betroffenen werden Beteiligte
Diese DNA mag Nfon nach der Gründung 2007 lange Jahre als innovatives und dynamisches Startup viele Jahre getragen haben, die Frage nach einer Unternehmenskultur drängte sich so wohl auch nicht auf. Bis sich eben der Zauber eines jeden Neuanfangs legt, Routine und Gewohnheit einsetzen. Auch hier sieht CEO eine Gefahr und reagiert. HR, vorher eine Person für die verwaltungstechnische Abwicklung für Personal, machte Heider zu einer Abteilung, die sich künftig um Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter kümmert, Talenten einen persönlichen Entwicklungspfad aufzeigt. Aus Betroffenen, Beteiligte machen. Wie das geht, hatte Andreas Wesselmann vorgemacht.
Kaum hatte Heider das Kunststück vollbracht, den Manager im Januar 2024 nach 26 Jahren SAP auf die wichtigste technische Position bei Nfon zu setzen, verschickte der CTO eine Rundmail und lud alle Mitarbeiter mit Know-how und Interesse für KI ein, sich in einem Kreis auszutauschen. Daraus entstand das KI-Kompetenzzentrum – die Keimzelle dessen, was nur wenig später folgen sollte.
Nfon: Cloud-Telefonie trifft auf KI
CEO und CTO waren sich einig: In die B2B-Cloud-Telefonie der Zukunft müssen KI-Technologien integriert werden. Denn kein Contact Center, keine Support-Abteilung wird in absehbarer Zeit ohne intelligente Chat-Bots arbeiten wollen, die auf Daten aus CRM, ERP und anderen, über APIs verbundenen Systeme zugreifen und die Kommunikation mit Kunden automatisieren. "Reine Cloud-PBX-Anbieter werden es schwer haben, im sehr wettbewerbsintensiven Markt zu wachsen", ist Heider überzeugt. Im Februar stieß Heider auf Botario.
Das 2019 von Aljoscha Niazi-Shahabi gründete KI-Startup aus Bremen entwickelt Chatbots, verzeichnet bereits signifikante Umsätze mit namhaften Kunden wie die Axa-Versicherung, Deichmann und Krankenkassen. Der Nfon-Aufsichtsrat gab sehr schnell grünes Licht für eine Übernahme, im Sommer war der Deal perfekt. Nfon wird die Botario-Technologie nach und nach in die Nfon-Angebote integrieren und den Channel befähigen, Kunden das Potenzial aufzusteigen, das um KI bereicherte Cloud-Telefonie birgt. Das wird freilich nicht von heute auf morgen gelingen. Aber Nfon sieht KI als ein sehr wichtiges Differenzierungsmerkmal gegenüber den Wettbewerbern.
Zuvor aber muss Nfon das unübersichtlich gewordene Portfolio, nicht zuletzt bedingt durch den Zukauf von Deutsche Telefon Standard, konsolidieren. Warum "blau" (Nfon) und "gelb" (DTS) so lange in getrennten Produkt- und Channelwelten unterwegs waren, vermag Heider gar nicht mehr zu sagen. Die Übernahme ist nun schon 5 Jahre her, auch diese Dauerbaustelle hat der CEO geerbt und will sie nun endlich geschlossen sehen, das Jahr der Transformation schließen und die Phase der KI-Integration schnell beginnen lassen.