Bitkom zur US-Wahl: "Unsere größten Herausforderungen müssen wir künftig eigenständig lösen"

Epochenwechsel in den transatlantischen Beziehungen, Deutschland steht in allen Belangen eine scharfe Transformation bevor, eine vergiftete politische Kultur gefährdet Deutschland, die Ampelregierung muss aufhören, um sich selbst zu kreisen. Wie Verbände den Ausgang der US-Präsidentschaft kommentieren.

BDI-Präsident Siegfried Russwurm: Zölle würden Europa und USA massiv schaden

Die transatlantischen Beziehungen stehen vor einem Epochenwechsel. Zu befürchten ist, dass der Ton rauer, der protektionistische Kurs konsequent fortgeführt werden wird. Trumps im Wahlkampf geäußerten Pläne zu zahlreichen neuen Zöllen besorgen die deutsche Industrie. Flächendeckende Zölle von zehn oder gar 20 Prozent auf alle Importe und von 60 Prozent auf Einfuhren aus China würden nicht nur Deutschland und der EU, sondern auch der US-Wirtschaft massiv schaden. Trumps kritische Bemerkungen gegenüber der Beistandspflicht in der NATO bedrohen die Glaubwürdigkeit der Sicherheitsarchitektur der EU sowie der gesamten westlichen Welt.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger: Deutschland wird stärker in diese Partnerschaft investieren müssen

Nicht nur für uns Arbeitgeber sind die transatlantischen Beziehungen seit mehr als 70 Jahren ein Garant für Wohlstand und Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sollten diesen erfolgreichen Weg der engen politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit weiter gemeinsam mit den USA gehen. In der Zeit der Multi-Krisen ist eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe wichtiger denn je.

Fest steht: Deutschland wird stärker in diese Partnerschaft investieren müssen. Zusätzliche Anstrengungen in der Verteidigung sind nur ein Beispiel. Es gilt mehr denn je: starke Wirtschaft – starkes Land. Nur mit einer erfolgreichen Wirtschaft bleiben wir für unsere westlichen Verbündeten ein starker Partner.

Düzen Tekkal, Menschenrechtsaktivistin, Journalistin, u.a. Co-Gründerin von MutRepublik: Vergiftete politische Kultur

Nun wird ab Januar 2025 ein unkalkulierbarer U.S.-Präsident das Ruder übernehmen. Politisches Renegatentum gepaart mit algorithmusbasierten Netzwerken, in denen sich Fake News wie Lauffeuer verbreiten und in denen A.I.-generierte Inhalte zunehmen werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass es einen Krieg um die Köpfe geben wird, der sich jetzt schon abzeichnet. Die vergiftete politische Kultur der Feindmarkierung, wie sie in den U.S. in den letzten Jahren etabliert wurde, wird leider früher oder später auch in Deutschland gang und gäbe werden. Das macht die Arbeit von DemokratInnen schwerer, aber nicht unmöglich.

Der politische Gegner zwingt uns aber auch dazu, besser zu werden: Konkreter zu formulieren, was wir erreichen wollen und wie wir es erreichen wollen – und für diese Ziele Köpfe und Herzen zu gewinnen. Wir werden weiter auf Menschlichkeit, sachliche Analyse und Wahrhaftigkeit setzen! Das sind Werte, die gefragter sind als jemals zuvor. Auch die großen Tech-Unternehmen werden sich an ihnen orientieren müssen.

Bitkom-Chef Ralf Wintergerst: USA werden keine schützende Hand mehr sein

Wir werden technologisch, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch eine scharfe Transformation durchlaufen müssen, um die USA zwar als Partner zu halten, aber auch, um uns zu emanzipieren. Wer es vor acht Jahren noch nicht verstanden hat, muss jetzt wach werden: Die USA werden sich dauerhaft von Europa ab- und dem asiatisch-pazifischen Raum zuwenden. Unsere größten Herausforderungen müssen wir künftig eigenständig lösen: eine CO2-freie, stabile Energieversorgung, digitale Souveränität, Schutz vor hybriden und militärischen Angriffen. Das gelingt nur mit einem praktisch-pragmatischen Politikansatz.

Und es gelingt uns nicht, indem wir den Unternehmen mit einem engen Regulierungskorsett die Luft abschnüren und uns in politischer Kleinstaaterei verlaufen, sowohl in Deutschland als auch in Europa.

Eine starke, experimentier- und innovationsfreudige Wirtschaft bildet die Grundlage staatlicher Leistungsfähigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die Wirtschaft gehört wieder in den Mittelpunkt der Politik, ohne weitere Ausreden. Die USA werden auch künftig Europas wichtigster Partner sein, unser großer Bruder, der in jeder Beziehung seine schützende Hand über uns hält, sind sie aber nicht mehr.

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft: Anhaltende Kreisen der Ampel um sich selbst muss beendet werden

Schon heute können sich Unternehmen auf einen teuren Handelskrieg einstellen, der nach IW-Berechnungen über die kommenden vier Jahre 180 Milliarden Euro kostet. Was noch auf die Wirtschaft zukommt, weiß bei der Wundertüte Trump noch niemand, nur klar ist: Es wird nicht bei der einen Hiobsbotschaft bleiben, mit positiven Überraschungen rechnet niemand.

Man mag hoffen, dass die Bundesregierung sich wirklich besser auf diesen Wahlausgang vorbereitet hat als noch 2016. Für das anhaltende Kreisen der Ampel um sich selbst ist in jedem Fall keine Zeit mehr. Deutschland muss in den kommenden Jahren mehr denn je lernen, auf eigenen Beinen zu stehen – im Geopolitischen genauso wie in der Wirtschaftspolitik. Welchen besseren Anstoß könnte es geben, um endlich etwas für die Standortqualität zu tun? Und auch die EU muss sich mit dem heutigen Tag bewegen: Es ist schon lange nicht mehr vermittelbar, dass es bei den Handelsabkommen, etwa mit den Mercosur-Staaten, nicht weitergeht. Jetzt ist die Zeit, um alle Befindlichkeiten beiseitezustellen.