Anwendergruppe DSAG: "Ein Stück weit setzt SAP seine Partner auch unter Druck"
Wie schaffen SAP-Anwender gemeinsam mit den SAP-Partnern den Sprung in die Digitalisierung? Welche Erwartungen haben Anwender an SAP und deren Partner? Welche Rolle spielen Cloud und KI in den Geschäftsmodellen und bei der Digitalisierung? Jens Hungershausen, Vorsitzender des SAP-Anwenderverbands DSAG, im CRN-Interview.
Bei der Konferenz der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe in Leipzig hat der Vorsitzende des DSAG-Vorstands Jens Hungerhausen mit CRN diskutiert, welche Anforderungen die SAP-Anwender an Systemhäuser und Beratungsfirmen haben. Entscheidend sei, dass die CIOs neben der tiefen Kenntnis der SAP-Technologie auch ein klares Verständnis für die Geschäftsmodelle ihrer Organisationen erwarten. Darüber hinaus kritisiert er, dass die SAP-Partner bei der eigenen Transformation in die digitale Welt zu langsam sind. Christian Raum besuchte für CRN den diesjährigen DSAG-Kongress, der vom 15. bis 17.Oktober in Leipzig stattfand.
CRN: Welchen Stellenwert haben die SAP-Partner innerhalb ihres Verbandes?
Jens Hungershausen: In der DSAG sind die SAP-Partner in fast allen Gremien aktiv – immerhin zählen sie ein Drittel unserer Mitglieder. Auf der einen Seite sind sie SAP-Anwender, auf der anderen Seite sind sie aber auch Anbieter und können so perfekte Vermittler zwischen SAP und den Kunden sein.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschieden, dass wir den SAP-Partnern einen höheren Stellenwert beimessen und ihnen damit eine deutlichere Stimme geben. Im vergangenen Jahr haben wir einen Partnerbeirat gegründet, in den wir sechs Vertreter aus der SAP-Partnergemeinschaft hineingewählt haben. Sie haben hier auf der Konferenz einen eigenen Track unter anderem mit Vorträgen und Erfahrungsberichten.
Mit welchen Themen kamen die SAP-Anwender in diesem Jahr zur DSAG-Konferenz?
Hungershausen: Wie schon in den vergangenen Jahren steht das Wartungsende der SAP-ECC-Systeme und der Wechsel auf S/4HANA und in die Cloud im Fokus – nach allen Umfragen und den Gesprächen hier in Leipzig hören wir, dass dies genau das Problem ist, das die SAP-Anwender beschäftigt. Und sie verlangen von den SAP-Partnern, dass sie die damit verbundenen Herausforderungen verstehen und unterstützen.
In diesem Zusammenhang ist unsere Forderung an die SAP-Partner, dass sie sich ebenfalls für diese neue, digitale Welt transformieren. Denn das ist die Grundlage, um die Anforderungen ihrer Kunden zu verstehen.
Systemhäuser sollen in der digitalen Welt ankommen
Dass ausgerechnet diejenigen, die die Kunden bei der Transformation unterstützen sollen, selbst in einer "alten" Welt leben, klingt doch sehr paradox.
Hungershausen: Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder festgestellt, dass hier an vielem Althergebrachten festgehalten wird. Deshalb haben wir einen Aufruf an die SAP-Partner formuliert: ihr müsst euch auch transformieren, ihr müsst euch auch ändern, ihr müsst diese neue Welt auch für euch adaptieren und ihr müsst auch eure Kunden entsprechend unterstützen, damit sie diesen neuen Weg der Digitalisierung gehen können.
Gibt es aus Ihrer Sicht weitere Gründe, warum die Digitalisierung so schleppend läuft?
Hungershausen: Die wirtschaftliche Entwicklung ist in den vergangenen Monaten nicht besser geworden. Damit haben wir ein weiteres großes Problem, das die Digitalisierung aufhält. De facto gibt es immer wieder Situationen, in denen das Management sagt, 'Nein, wir können kein Transformationsprojekt beginnen, wir haben andere Dinge, die jetzt sofort gelöst werden müssen'.
In vielen Organisationen haben die CIOs einfach keine Diskussionsgrundlage für ein Transformationsprojekt. Gleichwohl überlegen sie gemeinsam mit ihren SAP-Partnern, ob sie ihren Kollegen etwa verschiedene KI-Funktionen anbieten sollten oder ob sie mit anderen Mitteln die Prozesse verbessern können.
Partner sollen kommerzielle Modelle rund um SAP kennen
SAP sagt, ohne die Partner bei Beratung, Systemintegration oder auch Infrastruktur gehe es nicht. Insbesondere geht es dabei laut dem Vorstand Thomas Saueressig um deren Kompetenzen rund um Technologie und Digitalisierung.
Hungershausen: Die SAP-Partner sollen als erstes verstehen, was bei ihren Kunden passiert, was deren aktuelle Herausforderungen sind. Dann können alle gemeinsam analysieren, welches der richtige Weg in die Digitalisierung sein kann. Für uns ist es wichtig, dass die Mitarbeiter bei einem Systemintegrator oder einem Beratungshaus nicht nur neue Technologien kennen und wissen, was eine Business Technology Platform ist, und wie Anwender mit S/4HANA arbeiten. Es ist entscheidend, eine klare Vorstellung davon zu haben, wie die kommerziellen Modelle um die SAP-Anwendungen herum funktionieren.
Es geht also keinesfalls darum, dass die CIOs lediglich neue Produkte und neue Services, Prozesse und KI kaufen, sondern zu analysieren, wo steht das Unternehmen und welche Technologien sind in Zukunft relevant.
Sind nach Ihren Erfahrungen diese Kompetenzen bei den SAP-Partnern vorhanden?
Hungershausen: Es gibt ganz sicher bei den SAP-Partnern sehr viele Unternehmen, die diese Kompetenz haben. Tatsächlich sind aber immer die Menschen entscheidend, die in den Unternehmen arbeiten. Ich bin davon überzeugt, dass es diese Personen mit den notwendigen Kompetenzen gibt.
Schulung und Zertifizierung für SAP-Partner
Wenn Sie SAP anschauen – decken sich die Interessen der DSAG-Partner mit SAP? Oder will SAP primär Produkte verkaufen?
Hungershausen: SAP ist ein Softwarehersteller, natürlich will das Unternehmen das verkaufen, was es herstellt. Aber SAP versucht die Partner mehr zu befähigen, sie auszubilden und auf diese Weise auch Qualitätssicherung zu betreiben. Schauen Sie sich beispielsweise das RISE-Angebot an. Damit verbunden ist eine Methodologie, in der SAP genau beschreibt, wie die Transformation durchgeführt werden soll. Denn das umfassende Cloud-Konzept von SAP kann nur funktionieren, wenn tatsächlich alles einheitlich installiert ist. Hierfür fördert SAP seine Partner ein Stück weit. Und ein Stück weit setzt SAP seine Partner auch unter Druck.
Inwiefern?
Hungershausen: Das Interesse von SAP ist es, dass die Partner Mitarbeiter schulen und weiterbilden. SAP möchte natürlich, dass sich die Partner dann entsprechend zertifizieren. Das ist für die Anwender der Beleg, dass die Partner beispielsweise RISE entsprechend der SAP-Methodologie implementieren können.
Was erhalten die SAP-Partner im Gegenzug – wie kommen sie bei dem RISE-Geschäft mit ins Boot?
Hungershausen: Sie sind diejenigen, die die Implementierung machen und diejenigen, die in den Unternehmen die Transformation und Digitalisierung durchführen. Es geht ja nicht nur um das Produkt, sondern es soll ja auch eine Transformation stattfinden. Dort liegt der Mehrwert für die Partner.
Es gibt viele CIOs die sagen, dass KI erst dann erfolgreich sein wird, wenn es gelingt ein Businessmodell oder einen ROI zu berechnen.
Hungerhausen: Wir haben das Feedback von vielen Mitgliedern, dass sie versucht haben mit einem Proof-of-Concept ein Businessmodell zu rechnen, dass dies aber nicht gelungen sei. Ganz sicher gibt es Geschäftsmodelle, bei denen sich KI rechnet, aber die sind im Moment selten.
Wir haben bei der DSAG ein KI-Papier veröffentlicht. Wir gehen auf einige Fragestellungen konkret ein und geben Empfehlungen. Allerdings ist der gesamte KI-Markt sehr dynamisch und wir beobachten sehr interessiert, in welche Richtung sich das entwickelt.